Now reading
Turnier-ABC: Welcome in der Vielseitigkeit

Turnier-ABC: Welcome in der Vielseitigkeit

Was gibt es vor und beim Start einer Vielseitigkeit zu beachten? Damit der erste Start ein Erfolg wird, habe ich mit Brigitta Keiblinger, Turnierbeauftragte beim ersten Turnier der Saison 2025 in Ried/Riederberg, gesprochen.

Zur Einleitung: In Vielseitigkeitsprüfungen wird die Leistung von Pferd und Reiter in den drei Teilprüfungen Dressur, Gelände und Springen nach Fehlerpunkten beurteilt (§302 der ÖTO*). Alle Informationen zur Ausrüstung von Reiter und Pferd finden sich unter §304 und §305. Dieser Artikel soll ein Leitfaden für alle sein, die zum ersten Mal oder nach einer Pause eine Vielseitigkeit starten möchten, sowie für Trainerinnen und Coaches, die ihrem Schützling die bestmögliche Unterstützung geben wollen. Ein sehr niederschwelliger Eintritt in die Vielseitigkeit ist die Klasse Welcome (bis 70 cm Höhe), danach geht es weiter mit der Einstiegsklasse (bis 80 cm) und Vielseitigkeitsprüfungen der Klasse A-leicht (bis 90 cm).

Vorbereitung ist alles

Wer mit seinem Pferd in einer Vielseitigkeitsprüfung startet, muss sich in den drei Disziplinen Dressur, Springen und Gelände gleichermaßen vorbereiten. Vielseitigkeitspferde sollen regelmäßig ausgeritten werden und sich in unterschiedlichem Terrain gut zurechtfinden. Je nach Klasse sollen Pferd und Reiter die geforderten Leistungen zuhause im vertrauten Umfeld ohne Probleme absolvieren.

Die erste Botschaft, die Ausbilderin und Richterin Brigitta Keiblinger allen Beginnern mitgeben möchte, ist die Rolle des Trainers: „Gerade bei den kleinen Bewerben ist es auf jeden Fall sinnvoll, sich mit einem Trainer vorzubereiten.” Sie beobachtet immer wieder, dass unerfahrene Reiterinnen und Reiter ohne Begleitung aufs Turnier kommen. Pferd und Reiter sollen schon in den unteren Klassen ein harmonisches Bild abgeben. Das bedeutet, dass das Pferd in gleichmäßiger Anlehnung in einer Dressurprüfung vorgestellt werden kann und entspannt über Sprünge in der maximalen Höhe springt. Im Idealfall kommt der Trainer oder ein Coach mit aufs Turnier und steht an der Seite seines Schützlings. Auf dem Abreiteplatz, bei der Parcours- und Geländebegehung und zwischendurch. Das gibt dem Reiter Sicherheit und reduziert unnötigen Stress, der sich in der Folge auch aufs Pferd überträgt. Gut gecoacht ist schon die halbe Miete.

Zur Kondition der Pferde rät die Trainerin von übertrainierten Pferden ab: „Die Pferde müssen für niedrige Klassen nicht besonders auftrainiert werden. Das ist absolut nicht notwendig. Ich meine, bis inklusive V100 genügt es, dass man viel ausreiten geht, bergauf, bergab, dass ausgeglichen und vielseitig trainiert wird. Man vielleicht das eine oder andere Geländetraining im Rahmen eines Kurses macht und auch mal durch Wasser reitet. In der Klasse Welcome kommt zwar noch kein Wasserhindernis vor und in der Klasse E bis 80 cm kein Wassereinsprung, ein Vielseitigkeitspferd soll aber früh genug lernen durchs Wasser zu gehen.“ Niemand braucht sich sorgen, dass die Sprünge zu hoch oder unfair sind. Jedes einzelne wird von Geländebauprofis gestaltet und von den Richtern abgenommen. Erst danach ist es für die Geländestrecke freigegeben.

Vor dem Turnierwochenende legt man am besten eine Liste für Ausrüstung, Futter und Equipment an und hakt die einzelnen Punkte ab. Pferdepass nicht vergessen! Stollenköfferchen und Einschubtaschen für die Startnummern rechtzeitig besorgen (letztere werden oft nicht mehr zur Verfügung gestellt), das Auto volltanken und immer Zeit fürs Verladen oder vermehrtes Verkehrsaufkommen einplanen. TIPP: Vielseitigkeitsreiter und ihre Pferde müssen für jedes Wetter gerüstet sein. Das bedeutet: Gummistiefel und Regenschutz nicht vergessen, ebenso Insektenschutz und Sonnencreme.

Was die korrekte Ausrüstung im Bewerb betrifft: Hier empfiehlt Brigitta Keiblinger erneut, einen Blick in die ÖTO zu werfen und merkt an, dass immer wieder die gleichen Fragen an Richter und Funktionäre gestellt werden. Sie beantworte zwar jede einzelne Frage gerne, aber: „Wenn man sich mit der Österreichischen Turnierordnung ein bisschen auseinandersetzt, sind sämtliche Fragen ganz leicht zu beantworten.”

Die Dressurprüfung

Für Vielseitigkeitsprüfungen ALLER Klassen gilt, dass die Dressur auswendig zu reiten ist. Pferd und Reiter sollen die Aufgabe zuhause beherrschen und nicht erst am Turnier mit dem Üben beginnen. Die Richterin dazu: „Das Pferd soll an den Hilfen stehen, in gleichmäßiger Anlehnung, gestellt, gebogen, taktrein und schwungvoll gehen.“

Die Geländeprüfung

Das Gelände mindestens dreimal abgehen, so der Rat des Profis. Einmal, um sich einen Überblick zu verschaffen, beim zweiten Mal, um die Details zu beachten – etwa, wie lege ich Wendungen an und wo kann eine Klippe sein? Das dritte Mal dient dem Vertiefen – „Weiß ich eh noch alles?“. Reihenfolge, Art und Aussehen der Hindernisse immer wieder in Gedanken durchzugehen hilft. Die Geländestrecke soll auf jeden Fall zu Fuß abgegangen werden, nicht mit Fahrrad oder Roller. „Man nimmt die Strecke dabei ganz anders wahr.“ Der Trainer oder ein erfahrener Reiter sind ideale Begleiter, um Fragen zu beantworten und Erfahrungen weiterzugeben. Noch einmal zur Erinnerung: Was die Maße betrifft, sind alle Sprünge so gebaut, dass sie der Klasse entsprechen. Niemand muss sie nachmessen.

Die Ausrüstung muss perfekt passen, ganz besonders im Gelände muss alles sitzen und sicher sein. Das Martingal in der richtigen Länge, Sattelgurt fest nachgezogen und Zaumzeug gut verschnallt. Das Tragen des Protectors soll ebenso vertraut sein wie die Länge der Steigbügel usw. Achtung: Keine neuen Sachen am Turnier ausprobieren oder einweihen! Alles, was Pferd und Reiter tragen, muss sich bewährt haben und soll eingeritten sein.

Die Springprüfung

Ein gefestigter Sitz ist auch im Parcours wichtig. Der Reiter soll die Beine gut positionieren und ausbalanciert sitzen. Im Idealfall haben Pferd und Reiter schon im Vorfeld erste Parcourserfahrungen gemacht, sei es beim Training oder einem Springturnier. Die Parcoursbegehung unbedingt zusammen mit einem Trainer oder einer Vertrauensperson absolvieren!

Die Verfassungsprüfung

Zur Verfassungsprüfung müssen Pferd und Reiter korrekt adjustiert sein, der Reiter in vollständiger Turnierkleidung oder ordentlich gekleidet in Zivil. Das Pferd ist geputzt und trägt sein (ebenfalls geputztes) Zaumzeug mit der Pferdenummer. Brigitta Keiblinger: „Es ist völlig unerheblich, ob die Hufe des Pferdes eingefettet sind, was wichtig ist, ist ein gut gepflegtes Pferd und ein ordentliches Auftreten. Und man muss wissen, wie man heißt und wie das Pferd heißt.“

Die Aufstellung erfolgt so, dass der Reiter vor dem Pferd steht und die Zügel in beiden Händen hält. Das Vorführen beginnt im Schritt von den Richtern weg, dann trabt der Reiter das Pferd an, das locker und auf gleicher Höhe mit dem Reiter mitlaufen soll, wobei der Reiter auf der linken Seite des Pferdes läuft. Vor der Wendung – meist um einen Blumenstock herum – wird zum Schritt durchpariert, das Pferd nach rechts gewendet und auf das Richterkollegium zu getrabt.

TIPP: Im Internet anschauen, wie die Profis laufen und anschließend mit dem eigenen Pferd üben.

Wer sich so gewissenhaft auf seinen ersten Start in der Saison, mit einem neuen Pferd oder überhaupt auf seine erste Vielseitigkeitsprüfung vorbereitet, kann zuversichtlich in das „Abenteuer Busch“ starten. Die Atmosphäre und der Zusammenhalt dieser Community sind unvergleichlich und lassen einen im besten Fall nicht mehr los. Wenig verbindet Pferd und Reiter so wie der Zusammenhalt in der Vielseitigkeit, sie gehört mit zu den schönsten Erlebnissen in einem Reiterleben.


Text: Andrea Kerssenbrock in Zusammenarbeit mit Mag. Brigitta Keiblinger
Foto: © Andrea Kerssenbrock