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Die Reitvermittler

Die Reitvermittler

Wer unterrichtet unsere Kinder? Die Qualifikation des Ausbildungspersonals wird im Pferdesport traditionell vernachlässigt. Das ist umso erstaunlicher, als die Anforderungen der Konsumenten gewachsen sind. Als Berufsreiter verantwortet man neben Unterricht und Beritt immerhin auch die Sicherheit von Reitschüler und Pferd.

“Du bist selber begeisterter Reiter/In mit Erfahrung und hast Freude beim Umgang mit dem Pferd? Dann bist du bei uns genau richtig. Zu deinen täglichen Aufgaben zählen in erster Linie der Reitunterricht + Ausritte…” oder “Suche nette, kinderliebe und kompetente Reitlehrerin/ Reitlehrer für  Schulbetrieb in Feriendorf…” Inserate wie diese häufen sich vor Beginn der Sommersaison, viele Ferien- und Touristikbetriebe bereiten sich so auf attraktive Reitangebote für die Ferienzeit vor.

Was auffällt, ist der fehlende Anspruch an eine echte Reitlehrer-Qualifikation. Das Anforderungsprofil der Ausschreibungen beschränkt sich oft auf Pferdeliebe, Begeisterung, Fleiß und eine Kompetenz, die nicht näher definiert ist. Dass viele Unterrichtende oft nicht die klitzekleinste Ausbildung haben, ist aber wahrscheinlich den meisten Reitanfängern sowie Eltern von Reitkindern nicht bewusst. Die stecken ihre Kinder in Reitstunden und wissen meist gar nicht, wer ihren Sohn oder ihre Tochter unterrichtet. Reitlehrer bzw. Reitlehrerin darf sich hierzulande jeder nennen, das ist kein Hinweis auf eine tatsächliche Ausbildung. Bestenfalls sind es geprüfte Übungsleiter oder Reitinstruktoren. Wahrscheinlicher ist aber, dass es “Reitvermittler” sind, die, weil sie selbst ganz passabel im Sattel sitzen, in der Reitbahn stehen und unterrichten.

Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden und viele meine Reitlehrerkolleg:innen haben sich anno dazumal ihre Reitstunden zuerst mit Ausmisten, dann mit dem Bewegen von Pferden und schließlich – als Krönung – mit der Begleitung von Ausritten verdient. In Ferienreitbetrieben zu arbeiten kann durchaus Spaß machen, wenn man ein Pferdemädchen ist. Es kann ja auch gut gehen, solange nichts passiert. Manchmal ist ein achtsamer Reitvermittler sogar beliebter als ein ungeduldiger Reitlehrer – Prüfung hin oder her.

Ich finde es unbedingt notwendig, dass jeder Reit-, Schul- und Ferienbetrieb kommuniziert, wer in seinem Stall Unterricht erteilt. Der Österreichische Pferdesportverband (OEPS) hat ein sehr ausführliche Übersicht und klar definierte Ausbildungswege. Es gibt auch schöne Tafeln für Reitschulen, die vom OEPS ausgestellt werden und die man sichtbar am Stalltor montieren kann. Auf denen steht, wer hier unterrichtet, welche Qualifikation der- oder diejenige hat und wie lange seine/ihre Ausbilderlizenz noch gültig ist. Denn wer seine Trainerlizenz nicht verlieren möchte, muss sich regelmäßig fortbilden, um auf der Liste der OEPS-Ausbilder zu stehen – hier geht’s zur Liste.

Interessant ist auch, dass zahlreiche Reitbetriebe die Qualifikation ihrer Ausbilder nicht auf der Website abbilden. Vor der Nennung der Schulpferde würde ich eher die für den Unterricht zuständigen Personen und ihren Hintergrund vorstellen. Das schafft Vertrauen und gibt Kunden ein gutes Gefühl. Dazu ein paar Tipps zur Ausrüstung und zum Ablauf der Reitstunden sowie ein Hinweis auf das Risiko, das beim Umgang mit Tieren immer zu beachten ist.

Wenn Kinder und Anfänger von Beginn an richtig an den Reitsport herangeführt werden, ist das vielleicht der Start in ein erfolgreiches Pferdeleben. Diese Möglichkeit sollte sich kein Reitbetrieb entgehen lassen. Schon gar kein Ferienbetrieb mit Pferdesportangeboten. Gutes Reiten und ein guter Umgang mit dem Pferd beginnen in der Stallgasse. Begleitet von einem einfühlsamen Reitvermittler, der idealerweise eine Qualifikation für seinen Beruf hat, steht einer soliden Grundausbildung nichts mehr im Weg. Davon profitieren die Pferde, die Betriebe und das Ansehen des Pferdesports insgesamt.

Text & Foto: © Andrea Kerssenbrock