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Krankheit, Unfall, Tod – was wird aus meinem Pferd?

Krankheit, Unfall, Tod – was wird aus meinem Pferd?

Trilogie, Folge 1. Wenn in einem Menschenleben einschneidende Dinge passieren, ist das Pferd automatisch mit betroffen. Denn was passiert, wenn mir etwas passiert? Wenn ich plötzlich nicht mehr auftauche?

Mit unvorhergesehenen Ereignissen zu rechnen ist das eine, darauf vorbereitet zu sein, ist ganz etwas anderes. Ich war es nicht. Zwei Spitalsaufenthalte in einem Jahr – ein Herzinfarkt, Operation, Reha und dann noch ein Pneumothorax. Manchmal kommt es dick. Das Gute ist, ich bin nicht gestorben. Und ich konnte nach beiden Eingriffen recht schnell in den Sattel zurück. Dennoch – der Gedanke, was mit meinem Pferd, das ich so verrückt liebe, passieren wird, sollte ich keine Entscheidungen mehr treffen können, lässt mich nicht mehr los.

Wir, die wir unsere Pferde in Einstellbetrieben untergebracht haben, wissen, dass jedenfalls die Basisversorgung unserer Pferde gewährleistet ist. Es bekommt sein Futter und zu trinken, der Stall wird gemistet und eingestreut, Paddock, Koppel und Schrittmaschine sind organisiert. Wenn der Tag planmäßig verläuft, sind also die Grundbedürfnisse erfüllt. Das ist schon mal beruhigend. Doch ein eigenes Pferd zu haben ist so viel mehr, als es gefüttert und getränkt zu wissen. Die Beziehung zu meinem Pferd ist sehr innig – und ich weiß, dass es vielen Reitkolleginnen so geht wie mir. Wir wollen das Beste für unser Pferd oder das, was wir für das Beste halten. Und niemand weiß besser als wir, was unsere Pferde brauchen. Jede von uns Pferdefrauen bringt jahrelange Erfahrung im Pferdesport mit. Jede hat ihre individuellen Rituale, Abläufe, Tageszeiten und Gewohnheiten.

Mein Pferdetag läuft so oder ähnlich ab: Wenn ich im Stall ankomme, werfe ich zuerst einen Blick in die Box. Ich freue mich über das Interesse meines Pferdes, wenn es sich mir zuwendet und die Ohren spitzt. Nach der Begrüßungskarotte, die manchmal auch eine Banane ist, schau ich einmal übers Pferd. Sind die Beine klar, das Auge wach? Keine hohlen Flanken? Keine Blessuren auf den ersten Blick. Ein kurzer Blick in den Futtertrog und die Tränke – alles sauber und aufgefressen? – und ins Stroh. Hat der Pferdemann gemistet und wie ist die Konsistenz der Pferdeäpfel?

Mein nächstes Ritual: Ich biete meinem Pferd Wasser aus dem Kübel an. Besonders im Winter neigen Pferde dazu, wenig zu trinken, weil sie bei kalten Temperaturen nicht sehr durstig sind. Mein Pferd trinkt mit großer Freude und in großen Schlucken aus dem Eimer. Es ist nur ein kleiner Aufwand und die beste Prävention gegen Verstopfung überhaupt. (Buchtipp*) Anschließend bereite ich das Futter für später vor und starte mit dem sportlichen Teil. Für mein Training habe ich normalerweise einen Plan. Abwechslung ist wichtig und mehr als zwei Hallentage hintereinander versuche ich zu vermeiden. Regelmäßiges Training im Gelände oder entspannte Ausritte sind Teil der Ausbildung. Ich reite IMMER zwanzig Minuten oder länger im Schritt, bevor ich antrabe. Wenn die Zeit knapp ist, erledigt die Schrittmaschine diesen Teil der Aufwärmphase. Abpflegen und Versorgen folgen ebenfalls einer Routine – Sattel und Zaum runter, Wälzen, Decke drauf (im Winter), Bein- und Hufpflege, Futter und Karotten, Stroh aufschütteln und Tschüss!

Ich weiß, kein Pferd stirbt, wenn es mal anders kommt. Dennoch steht mein kleiner, fröhlicher Pferdemann exemplarisch für alle gut umsorgten, heiß geliebten Pferde. Seit meinem Herzinfarkt stelle ich mir Fragen wie: Was kann ich vorbereiten für die Zeit ohne mich? Was muss ich geschehen lassen? Was wird mir entgleiten? Wer versorgt mein Pferd über einen längeren Zeitraum (oder für immer)? Wer reitet es? Wer haftet? Wer tauscht Schabracken und Decken, bringt sie in die Reinigung? Wer achtet auf die Hufe, die im Sommer oft spröde sind? Wer organisiert Schmied und Tierarzt. Wer entscheidet wann was geschehen soll? Kann ich mir einen nächsten Pferdemenschen für mein Pferd aussuchen? Was passiert, wenn tierärztliche Behandlungen anstehen? Und wer bezahlt das alles? Welche zusätzlichen Kosten kommen auf den Pferdebesitzer zu?

Apropos Geld: Die Fremdbetreuung eines Pferdes summiert sich recht schnell und die Fixkosten laufen sowieso weiter. Wer aus gesundheitlichen Gründen im Job kürzertreten muss, hat möglicherweise ein geringeres Einkommen. Mehrausgaben fürs Pferd durch Beritt und Fremdversorgung kommen zu den Ausgaben für die eigene Gesundheit. Therapien, Behandlungen, Selbstkostenbeiträge und Gebühren schlagen auch bei mir zu Buche. Vorsorge zu treffen, ein Testament zu verfassen, eine Patientenverfügung zu hinterlegen, Vollmachten für Konten, das Pferd und was auch immer zu erstellen, erfordern einen gewissen Aufwand. Das kostet Zeit und Geld.

Wenn unsere Welt aus den Fugen ist, dann soll es dem Pferd trotzdem gut gehen. Mir hilft die Vorstellung, dass ein gutes Pferdeleben auch ohne mich möglich sein kann. Ich habe ein tolles Team, das zumindest eine Zeitlang einspringen und das Pferd in meinem Sinne versorgen kann. Und ich habe eine Familie, auf die ich mich verlassen kann, die alles tun wird, dass es meinem Pferdemann gut geht. Vielleicht, denke ich in seltenen Momenten, vielleicht ist es sogar vermessen zu glauben, dass nur ich selbst die Bedürfnisse meines Pferdes erfüllen kann. Gut möglich, dass dieser eine zweite, ganz besondere Mensch meinem heiß geliebten Pferdemann begegnet und die beiden ebenfalls zu einem Dream Team werden. Für mich persönlich ist es das ein Gedanke, der mich beruhigt.

DRANBLEIBEN – Fortsetzung folgt
Ich habe Pferdebesitzerinnen, Kolleginnen, Reiterinnen und Betroffene gefragt, wie ihre jeweilige Vorsorge fürs eigene Pferd aussieht. Die sehr persönlichen Einblicke dieser Frauen sind demnächst im Rahmen dieser Trilogie als Folge 3 hier auf HorseFolk nachzulesen. Davor gibt es noch Folge 2, die alle juristischen Aspekte zu diesem sensiblen Thema zum Inhalt hat.


Idee, Umsetzung, Text und Fotos: © Andrea Kerssenbrock
Das Kopieren von Textpassagen und/oder Text ohne Quellennachweis ist nicht gestattet. 

*Buchtipp: “Das Pferd sagt es uns jeden Tag”, von Stallmeister Johannes Hamminger und Andrea Kerssenbrock

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