Kein Pferd sollte sich vor dem Satteln und Gurten fürchten. Wie man negative Erfahrungen wieder gut machen kann und was das Satteln mit dem Schuhe Anziehen gemeinsam hat.
Sally hat keine Freude und zeigt es auch. Sie legt die Ohren an und schnappt fallweise sogar nach hinten, wenn ich mit dem Sattel auf sie zukomme. Am liebsten aber geht sie einfach raus auf ihr Paddock und tut so als ginge der Sattel (und der Mensch, der selbigen in der Hand hat) sie nichts an. Ich wurde gewarnt, dass Sally ein ziemliches Biest sein könne. Ziemlich Fuchsstute*, habe ich gedacht, wohl wissend, dass ich damit ein Klischee bediene und es ganz wunderbare Fuchsstuten gibt.
Während ich mir Gedanken über Sallys Sattelunverträglichkeit mache, versuche ich auszurechnen, wie viele Pferde ich in meinem Leben schon gesattelt hatte. Täglich eins in vierzig Jahren sind exakt 14.600-mal, die 29. Februare der Schaltjahre nicht mitgerechnet. Wenige Tage an denen ich nicht geritten bin, stehen viele Tage gegenüber an denen ich mehr als ein Pferd geritten bin. Tendenziell habe ich wahrscheinlich genauso oft gesattelt wie Schuhe angezogen. Der Vergleich gefällt mir. Schließlich zieht man fast jeden Tag Schuhe an, manchmal sogar mehrmals täglich. Keine Schuhe anzuziehen (oder keinen Sattel aufzulegen), bedeutet in meinem Fall krank oder mal ein paar Tage weg zu sein.
Fast 15.000-mal Satteln also – und kein gurtenzwängiges Pferd, das ich selbst verantworte. Lediglich mein Reitlehrerpferd hatte ich mit einem schweren Gurtenzwang bekommen. Obwohl sonst eine Seele von einem Pferd und ein Professor noch dazu, stand der Held auf den Hinterbeinen, wenn der Gurt abrupt festgezurrt wurde. Nach jahrelangem achtsamem Umgang hatte sich der Zwang weitgehend gelegt. Doch seine glücklichsten Jahre verbrachte er wohl als Oldie, der ohne Sattel geritten wurde.
Nun also Sally. Die Stute, die zum Krokodil werden kann, wenn man sie Aufsatteln möchte. Strenge verträgt sie gar nicht. Das ist keine Überraschung. Konsequenz funktioniert mit ein wenig Mogeln und den Kopf am Zügel nach außen stellen ganz gut. Das ist aber immer noch nicht so, wie ich es mir vorstelle. Viel besser klappt das Satteln mit Hinwendung, Zeit und Belohnung. Viel Belohnung.
Anleitung zum Satteln und Gurten

Die Reihenfolge ist ganz einfach und sollte ohnehin gang und gäbe sein. Sattelt man ein Pferd freistehend, wird zuerst gezäumt. Dann kann man bei Bedarf in den Zügel greifen. So lernt man das auch für die Reiterpassprüfung. Pferde mit Gurtenzwang sollten eher nicht angebunden werden, da sie erfahrungsgemäß dazu neigen, am Strick an- oder sich loszureißen. Bevor ich den Sattel sehr vorsichtig auf dem Pferderücken platziere, zeige ich ihn der Stute, ganz unter dem Motto “Schau her, da passiert nichts Schlimmes”. Sally schaut mir gerne und sehr interessiert dabei zu, wie ich Sattel und Unterlage in die richtige Position bringe. An der Stelle gibt es mindestens das dritte Karottenstück, das ich von einer langen Karotte abbeiße, die ich zwischendurch immer wieder in meiner Jacke verschwinden lasse. Die Karotte in der Jackentasche sorgt für anhaltendes Interesse und ist gleichzeitig eine willkommene Ablenkung.
Nach dem Sattel kommt der Gurt dran. Den zeige ich zuerst der Stute und befestige ihn auf der rechten Seite weit unten an den Sattelstrupfen. Dafür gibt es das nächste Karottenstück. Nun gehe ich nach links, dabei streiche ich sanft über Hals und Brust oder über die Kruppe – je nachdem, ob ich vor oder hinter dem Pferd gehe. Wichtig ist der Kontakt mit der Hand. Behutsam hole ich den Gurt unter dem Bauch durch und schließe erst eine Schnalle, Karottenstück, dann die zweite, Karottenstück. Der Sattelgurt ist jetzt geschlossen, hängt aber durch. Ich würde das Pferd so nicht aus der Box führen, weil der Sattel zu leicht verrutscht. Um den Sattelgurt ausreichend fest zu bekommen, nehme ich mir sehr viel Zeit und hantel mich von Loch zu Loch nach oben. Wenn nichts mehr verrutschen kann, verlasse ich die Box, gehe immer wieder ein paar Schritte, bleib stehen, gurte, lobe und belohne.
MERKE: Belohnung ist ein Verstärker, Zeit ein Muss und Hinwendung ein Mehrwert.

Sally macht Fortschritte, weil sie mich kennt und mir vertraut. Kleine Ablenkungen, eine Unaufmerksamkeit, einmal nicht ganz “bei ihr sein” führen sofort zu Stress und ungewünschten Reaktionen. Dabei legt sie die Ohren an, kräuselt die Nüstern, rollt die Augen und schlägt mit dem Kopf. Manchmal scharrt sie auch vor Ungeduld. Bis ich im Sattel sitze, dauert es eine Weile. Wenn es aber soweit ist und ich Platz genommen habe, kann nichts mehr die Gehfreude dieser kleinen schlauen und charmanten Fuchsstute bremsen.
*Um die Ehre der Fuchsstuten zu retten: Ich hatte auch schon Rappstuten, die ziemliche Biester waren.
Text und Foto: © Kerssenbrock