Zum Thema Boxenhaltung gibt es so viele Meinungen wie Pferderassen. Warum ich glaube, dass meine Pferde gut damit zurechtkommen.
Es kam die Frage auf, ob der Mensch es verantworten kann, Pferde in Boxen zu halten, zwischen Gitterstäben. Sollten sie nicht lieber frei wählen dürfen wann sie hinaus gehen und ihr Sozialleben mit Kumpels pflegen – am besten ganz frei in einer Herde leben? Wenn es so einfach wäre! Ich bin sicher, dass es unter den entsprechenden Rahmenbedingungen, mit anderen Pferden möglich ist, sie auf großen Wiesen zu halten und mehr oder weniger sich selbst zu überlassen. Meines Wissens passiert das zwar nicht einmal in Island, wo Pferde tatsächlich sehr robust gehalten werden, aber dennoch wird sanft in die Natur eingegriffen, um eine gewisse Ordnung zu erhalten.
Bei meinem hochgezüchteten Sportpferden kann ich aus Erfahrung sagen, Offenstall und Gruppenhaltung funktionieren nicht. Zum einen kann ich ihnen im Umkreis der Großstadt weder Steppe noch Hochmoor anbieten, zum anderen sind sie tatsächlich nicht geeignet, sich allein durchs Leben zu schlagen. Sie sind, das darf auch mal gesagt werden, vollkommen abhängig von unserer Zuwendung und Fürsorge. Davon, dass wir sie füttern, bewegen, sie mit Zäunen vor Eisenbahnschienen und Straßen schützen und manchmal auch vor ihresgleichen. Nicht jedes Pferd verträgt sich mit jedem anderen Pferd.
Ich bin so überzeugt von den sozialen Kompetenzen unserer Pferde und ihrer Interaktion mit den Menschen, dass mir die Überlegung sie in die „Freiheit zu entlassen“ völlig suspekt erscheint. Ebenso überzeugt bin ich, dass eine Herde in ihrem Gefüge sehr anspruchsvoll ist. Ein ständiger Austausch von Tieren ist stressig, macht für Verletzungen anfällig und raubt Energie. Es dauert Monate bis eine Gruppe homogen zusammenlebt, die Rangordnung geklärt und ein weitgehend stressfreies Miteinander möglich ist. Ständiges Ein- und Ausgliedern von Tieren in die Herde sorgt für Unruhe. Selbst gutes Integrationsmanagement stösst an seine Grenzen, wenn Pferdepersönlichkeiten nicht zusammenpassen wollen. Für Sportpferde ist die Überlegung von freieren Haltungsformen – in Verbindung mit mehr Bewegungsangebot – zwar durchaus erstrebenswert, aber in meinem Pferdeleben habe ich den dafür passenden Stall noch nicht gefunden.
Die Stute war immer mein Paradebeispiel. Sie ist Menschen zugetan, jedoch nicht jedem Artgenossen. Denn wenn sie Pferdefreundschaften schließt, dann sucht sie sich ihre Freunde gerne selber aus. Sie bevorzugt Stuten vor Wallachen und schätzt ihre Box mit Paddock. Sie mag nicht stundenlang in der prallen Sommersonne stehen, nicht einmal, wenn sie dabei Gras zupfen kann. An schwülen Hochsommertagen steht sie bereits morgens um neun Uhr am Koppeltor und wünscht in den schattigen Stall gebracht zu werden. Bremsen und anderes Ungeziefer bringen sie in Rage und ihr Umfeld in Not. Denn da kann sie richtig rücksichtslos werden, beim Führen wie beim Reiten.
Meine Pferde lieben ihre Tagesabläufe. Sie warten auf ihre Menschen genauso wie auf ihr Futter, ihren Auslauf und die Arbeit. In der Tat. Besonders die Arbeit trägt maßgeblich zum Wohlbefinden unserer Pferde bei. Unsere Pferde sind ausreichend lange domestiziert, um Freude an den Anforderungen zu haben, die der Mensch ihnen stellt. Sie mögen die Fürsorge, das Abpflegen, die Belohnung, das gute Gefühl nach getaner Arbeit. Besonders das Jungpferd liebt Training und Bewegung. Es ist in seinem Gesamtverhalten grundlegend anders wenn es trainiert wird – (noch) umgänglicher, selbstsicherer, mutiger. Einfach zufriedener.
Tatsächlich habe ich sämtliche verfügbaren Haltungsformen in meinem Einzugsbereich (also mit dem Auto gut erreichbar und mit Job und Familie vereinbar) getestet. Zum Wohl meiner Pferde bin ich demütig zur Boxenhaltung zurückgekehrt. Denn ich als Pferdebesitzerin bin auch für die Unversehrtheit meiner Pferde verantwortlich. Nur, wenn sie gesund sind, können sie ihren Bewegungsdrang ausleben, trainiert werden und zufrieden sein. Das ist meine tiefe Überzeugung nach unzähligen Pferdebissen, die ich verarztet habe, Blessuren, die genäht werden mussten, Pausen samt Boxenruhe, die einem Huftritt geschuldet waren. Ich bin leidenschaftliche Reiterin und gerne auch Pferdepflegerin. In dieser Reihenfolge.
Ich freue mich über andere Erfahrungen in den Kommentaren.
Text und Foto: Andrea Kerssenbrock