Als Reitlehrerin bin ich erfahren und als Reiterin bin ich die letzten 25 Jahre Dressurpferde geritten. Meine jungen Jahre im Vielseitigkeitssattel liegen wirklich lange zurück. Doch das Buschfeuer lässt einen nicht los, wenn man einmal dafür gebrannt hat.
Man kann ein Berufsleben lang mit Pferden arbeiten ohne ein Leben lang Berufsreiterin zu sein. Der größte Unterschied zu früher ist die fehlende Unbekümmertheit. Es war ein Zustand, der manchmal schon an Verwegenheit grenzte. Der ist weg. Die vielen unterschiedlichen Pferde, die ich als Berufsreiterin unter dem Sattel hatte und damit verbunden weit mehr Sprünge als jene, die man als Pferdebesitzerin mit nur einem Pferd macht. Mit der Zeit verblassen diese Erfahrungen, aber sie sind nicht ganz weg – und überhaupt, die Zeit! Sie arbeitet in mancher Hinsicht ziemlich gegen uns Sportlerinnen.
Es gehört Mut dazu, wenn man über feste Hindernisse springt und dazwischen schnell galoppieren soll. Unser Körper hat zudem schon einiges aushalten müssen. Krankheiten, Unfälle, Ausnahmezustände, Zyklen, Geburten, Wechseljahre – da kommt bei manchen einiges zusammen. Unsere Widerstandsfähigkeit und Beweglichkeit werden geringer, Ausdauer und Kraft gehen verloren. Selbst die Augen, Ohren und Fingerspitzengefühl lassen nach. Die Zeit bleibt definitiv nicht stehen. Einen Herzinfarkt und einen Pneumothorax später bin ich voller Zuversicht ins aktuelle Jahr gestartet und habe meinen Körper wieder angeworfen. Das war wirklich nicht ganz leicht, weil die Kraft auf Null und die Kondition im Minusbereich angesiedelt waren. Langsam ist der Fitnessstatus wieder im grünen Bereich. Den Rest kompensiere ich mit Erfahrung, Technik und der – hoffentlich – richtigen Einstellung.
Als Berufsreiterin verrichtet man zwar körperliche Arbeit, die fit hält. Man ist viel an der frischen Luft und schafft im Idealfall ein wenig Ausgleichstraining. Als Reiterin, wenn auch mit Hintergrund, ist man trotzdem “nur” Reiterin. Mit Mitte Fünfzig noch einmal den Traum vom Buschpony zu verwirklichen und tatsächlich über Geländehindernisse zu springen finde ich manchmal ziemlich kühn von mir selbst. Auch wenn ich mir gar nicht mehr vorstellen kann, dass ich es all die Jahre ohne ausgehalten habe. Es ist ein Glücksgefühl. Der Cross Country Kick mit dem absolut richtigen Pferd hat mich wieder voll gepackt. Doch die Anforderungen sind ganz andere als früher. Ich will schön reiten, was nicht immer gelingt. Meinem Pferd Sicherheit vermitteln, was meistens gelingt. Weiterhin besser werden und wieder geschmeidiger im Sattel sitzen (mit Yoga bekomme ich das hin). Bestmöglich geradeaus reiten und Übergänge mit unsichtbaren Hilfen. Vor allem aber will ich froh und zufrieden absitzen, weil ich weiß, dass nur das mein Pferd froh und zufrieden macht.
Dieser Tage wurde ich öfter gefragt, ob ich plane, an Turnieren teilzunehmen. Das hängt von meiner Tagesverfassung ab, antworte ich dann. Die Ziele verschieben sich. Ich weiß noch nicht, wie ich das Herzflattern in den Griff bekomme, wenn ich in der Startbox stehe. Ich reite, um dabei Spaß zu haben. Das geniale Buschpony mit dem großen Herzen hat mein volles Vertrauen und die Sicherheit seiner Reiterin verdient. Es macht, was man ihm sagt, weil es grundehrlich ist und von einer Reiterin geritten wird, die einmal Berufsreiterin war.
PS: Wenn alles passt, dann organisiere ich vielleicht irgendwann einen 50plus-Cross-Country-Cup. Ein paar alte Berufsreiterkollegen haben schon abgesagt. Dann bleiben wir Reiterinnen eben unter uns, finde ich auch gut 😊
Text & Foto: © Andrea Kerssenbrock