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Großmeister der Kommunikation

Großmeister der Kommunikation

Pferde sind kommunikativ, freundlich und sozial hochbegabt. Ihre Interaktion mit Art- und Menschengenossen ist erfrischend und ehrlich. Im Rückwärtstagebuch erzähle ich die eine und andere Geschichte in frischer Zubereitung. Denn nichts ist so unvergänglich wie das Leben mit Pferden.

Da war die Wiedersehensfreude groß! Jo war uns besuchen. Sie kennt das Pferdekind seit es fünf war. Sie hat es ein Jahr lang jeden Tag auf die Koppel geführt, gepflegt, gefüttert und immer wieder mal longiert. Später hat sie uns ins Gelände begleitet, viele Handgriffe erledigt, flotte Fotos geschossen und uns mit ihrer guten Laune angesteckt. Dann war sie weg, wie das so ist im Leben. Der Stallwechsel, der Jobwechsel, die Freizeit, die viel zu kurz ist. Heute war sie da und das Pferdekind voller Zuneigung.

Wir erinnern uns gemeinsam zurück

SOMMER 2021. Pferde, so haben wir festgestellt, wachsen auch ohne große Herde zu einem Clan zusammen. Meine Pferde stehen in einer Stallgasse zusammen. Nun habe ich seit einiger Zeit mit einer Stute zu tun, deren Box in einem anderen Gebäude unseres Hofes ist. Ich hole sie jeden Tag zu uns in den Stalltrakt, wo ich sie pflege, sattle, mit ihr rede und sie verwöhne. Meine Pferde beobachten das sehr aufmerksam. Mit gespitzten Ohren stehen sie in ihren Boxen und verfolgen meine Aktivität zwischen Sattelkammer, Putz- und Waschplatz. Bereits an Tag drei hat der Pferdebub seine Halbschwester mit einem zarten Blubbern begrüßt. Zufall aber auch, dass die beiden den gleichen Vater, die gleichen langen Ohren und auch sonst einige Gemeinsamkeiten haben.

Einen Tag später hat auch meine sonst eher zurückhaltende Stute die Neue im Bunde mit einem kurzen Statement willkommen geheißen als ich sie durch die Stallgasse geführt habe. Gehe ich mit ihr an den Fenstern vorbei zum Reitplatz, schauen meine Pferde mit einer gewissen Neugier hinterher. Neulich war ich mit meinem Pferdekind, auf dem Reitplatz. Auf den Koppeln nebenan war der Pferdewechsel im Gange. Das hat meinen fleißigen Arbeiter unter dem Sattel weder irritiert noch abgelenkt. Als aber seine Schwester, die Neue im Clan, auf ihre Koppel neben dem Reitplatz geführt wurde, hat ihn die Konzentration doch kurz verlassen. Er hat ein wenig am Zügel gezogen und das Familienmitglied fröhlich begrüßt.

Die feine Wahrnehmung und die Art wie meine Pferde sich mitteilen, rührt mich immer wieder und macht mich auf viele Arten froh. Froh, weil sie so aufmerksam und sozial interagieren. Und froh, weil ich ihre Empathie und die Freundlichkeit so genieße, wie sie als Pferde miteinander umgehen. Selbst wenn sie nicht in einer Herde stehen, fühlen sie sich eindeutig meiner kleinen Pferdefamilie zugehörig. Das beeindruckt mich auch deswegen, weil es doch einer gewissen kognitiven Leistung bedarf, zu erkennen, dass wir – obwohl in verschiedenen Gebäuden wohnend und nicht gemeinsam am Tisch sitzend – zusammengehören. Als Team.

Eine Stallgasse weiter habe ich diese Woche erlebt, wie ich selbst in den Kreis einer Pferdefamilie aufgenommen wurde. Mein kleiner Fuchs, der mit einigen anderen Pferden im Besitz einer sehr netten Familie steht, hat mir seine Freude mich zu sehen schon sehr früh gezeigt. Er ist ein zugewandtes Pferd und mag es, wenn man ihn in der Box besucht. Auch gerne einfach so Hallo sagt. Selbst wenn ich keine Karotte dabeihabe, dann knabbert er halt an meinem Haar oder zupft mich am Ärmel. Er erforscht mit großer Hingabe wie weit er sich meiner Komfortzone annähern darf, bevor ich Stopp sage.

TIPP: Es ist wichtig, Pferden Grenzen zu setzen. Sie fragen sie ab und akzeptieren klare Rahmenbedingungen gerne. Als Mensch ist man ohnehin körperlich unterlegen. Es geht daher nicht an, sich wegdrängen, an die Wand drücken oder gar zwicken zu lassen. Das hat mit netter Nähe nichts zu tun. Es ist vielmehr distanzlos. Gerade innerhalb der „Familie“ muss klar sein, wer in welcher Position ist. Das gibt allen Sicherheit.

Jedenfalls hat der Fuchs mich in sein großes Herz geschlossen so wie ich ihn. Und wohl weil die alte Dame namens Dreamy das beobachtet hat und Teil dieser Familie ist, blubbert sie mich nun auch an. Offenbar gehöre ich zu ihrem Clan. Das hat mich schon sehr begeistert und auch überrascht. Denn die Kluge steht einige Boxen weiter, also gar nicht unmittelbar neben „meinem“ Fuxi. Sie hat also von meinen Zuwendungen nicht unmittelbar profitiert. Ich habe ihr weder Karotten noch Leckerli zugesteckt, sondern bin stets direkt zur Fuxi-Box marschiert, um mich um ihn zu kümmern. Umgehend habe ich auch sie in mein Herz geschlossen.


Text & Fotos: Andrea Kerssenbrock