Wohlstandsverwahrloste Pferde – oder: Wieviele Reiter verträgt ein Pferd?
Sind drei genug oder fünf oder sechs – oder soll es überhaupt nur einer sein? Ich habe zu dem Thema schon verschiedene Meinungen gehört. Und ich bin ja auch recht eigen was die Stute betrifft. Obwohl, wieviele Reiter sie sich zumuten lässt, hat die Stute ohnedies stets selbst definiert. Dieses Selbstbewusstsein hat eben nicht jedes Pferd.
Wie verstörend ständiger Reiterwechsel sein kann, habe ich zuletzt bei einem Sportpferd erlebt, Klasse M. Ob Dressur- oder Springpferd spielt an dieser Stelle nicht die entscheidende Rolle. Das Pferd ist begabt und hat sehr jung sehr viel Geld gekostet. Die Besitzer haben finanziell (und auch so) alle Mittel, um dem Pferd ein schönes Pferdeleben zu ermöglichen.
Doch was tun sie stattdessen? Sie schicken das Pferd von Ausbilder zu Ausbilder, um irgendwann den perfekten Reiter zu finden. Perfekt ist, wer gewinnt. Noch perfekter ist, wer immer gewinnt. Da die Qualität des Pferdes auf jeden Fall stimmt (sagen die Besitzer), kann es nur am Reiter liegen, wenn das Pferd nicht gewinnt.
Auf einer dieser vielen Stationen von Stall zu Stall, von Reiter zu Reiter und von Pfleger zu Pfleger hatte das Pferd beschlossen, zu resignieren. Es hat sich zurückgezogen und aufgegeben. Komplett. Konnte mit Licht, Luft und Paddock nichts mehr anfangen. All das hat ihm Stress gemacht – ausgerechnet dem Bewegungstier Pferd, diesem höchst sozialen Tier. Dieses Pferd fand sich also nicht mehr zurecht. Am besten ging es ihm in einer ruhigen Box, weit weg von Eindrücken, die es ohnedies nur verunsicherten. Es durfte auch dunkel sein, Hauptsache ruhig.
Das Pferd mit der schönen Abstammung und den herausragenden Talenten – was ist aus ihm geworden? Es hatte doch noch Glück. Es darf nun bleiben wo es ist. “Indianerehrenwort”, sagt der Besitzer. Es geht ihm gut da, wo es jetzt ist. Und es geht auch gut, unter seinem Reiter. Dem Menschen, dem es langsam, langsam vertraut. Und dem Groom, der immer derselbe ist, es füttert und pflegt.
Ich gebe es zu. Ich fürchte schon jetzt den Tag, an dem mein knapp Dreijähriger mich verlässt! Demnächst und eh nur einen Sommer lang. Aber wir verstehen uns so gut und haben gerade soviel Spaß zusammen. Beim Lernen und Kennenlernen. Ja, wir haben – zugegeben – gerade ein ziemliches Wohlstandsproblem. AvK
Foto: Jez Timms