Was passiert mit meinem Pferd, wenn mir etwas passiert? Darüber habe ich mit Frauen gesprochen, die in diesem Beitrag sehr offen erzählen, wie unterschiedlich sie für ihre Pferde vorsorgen.
Die folgenden Namen stehen stellvertretend für eine Generation Frauen, die ihre ersten Reitstunden schon vor dreißig Jahren oder länger absolviert hat. Eigene Pferde haben immer eine große Rolle in ihren jeweiligen Leben gespielt. So unterschiedlich ihre Lebensläufe auch sind, so klar ist, dass jede ihr Pferd optimal versorgt wissen will.
Andrea, *1967
Nach einem Herzinfarkt mit 56 Jahren hatte die Sportlehrerin ein Netz aus Familie und Freunden, das sie aufgefangen hat. Alle haben zusammen geholfen und ihr Pferd versorgt.
“Ich konnte trotz des Eingriffs vom Krankenhaus aus organisieren, von wem mein Pferd geritten wird und dass es alles bekommt, was ich sonst selber mache – extra Futter, Vitamine, Wasserkübel. Ich war zum Glück immer wach und nur wenige Tage im Spital. Nach dem Infarkt konnte ich recht schnell zurück in den Sattel. Zehn Tage waren es insgesamt. Ich habe mich anfangs geschont, konnte aber bald wieder mit leichtem Training beginnen. Weil es Sommer war, habe ich schon frühmorgens meine Bahnen im Schwimmbad gezogen, noch bevor der Trubel losging. So wurde ich relativ schnell fit fürs Pferd. Ich bin auch bald wieder über Hindernisse gesprungen. Nach meiner erfolgreichen Reha habe ich sogar wieder Turnierpläne geschmiedet. Das sollte sich in der Saison aber doch nicht mehr ausgehen, weil ein Unfall dazwischen kam. Was ich im ersten Jahr ständig im meinem Kopf hatte, war der Umstand, dass durch die starken Medikamente (Blutverdünner) die Gefahr von Blutungen und Blutgerinnsel erhöht war. Ich hatte auch unglaublich viele blaue Flecken ohne zu wissen, woher die kamen.
Was mit meinem Pferd passiert, wenn ich heute tot umfalle, das frage ich mich seitdem immer wieder. Ich muss das sehr nüchtern sehen, denn es ist unrealistisch, dass jemand aus meiner Familie übernimmt. Sie werden sich um einen Bestplatz bemühen und es verkaufen. Es ist ein sehr gutes Pferd und noch zu jung, um es zu pensionieren. Ich glaube fest daran, dass es einen nächsten Herzensmenschen findet, der es genauso liebt wie ich. Vielleicht gibt es ja sogar einen noch besseren Platz als bei mir. Wer weiß das schon.”
Olivia, *1971
Für Olivias Stute, die nicht ganz unkompliziert ist, sprang ebenfalls die Stallgemeinschaft ein als sie sich sehr kurzfristig einer Operation unterziehen musste. Sie konnte ihr Pferd mehrere Monate lang nicht besuchen.
“Mir ist schon zweimal etwas passiert, wo ich länger nicht im Stall sein konnte. Binnen Kürze mussten der Job geklärt werden, die Familie und das Pferd. Dadurch, dass ich mich im Stall sehr wohl fühle und mich mit den Menschen dort sehr gut verstehe, war ich von Anfang an offen. Ich habe gesagt, was mit mir los ist und dass ich länger nicht kommen kann. Die Hilfsbereitschaft war sehr überwältigend für mich, ich habe Nachrichten und Fotos vom Pferd bekommen. Davor habe ich eine kleine WhatsApp-Gruppe gebildet und die Personen gebeten, ab und zu mein Pferd zu reiten. Es war gar keine Gedanke daran, dass ich nicht mehr zurück komme. Nur der Gedanke Wann geht’s wieder?
Auch wenn die Stute momentan noch zu jung ist, um sie in Pension zu schicken, könnte ich mir schon vorstellen, dass meine Familie die Kosten für einen günstigen Pensionsstall übernehmen würde – nach meinem Tod. Ich würde mir Sorgen machen, dass sie nicht in die richtigen Hände kommt. Es gibt viele richtige Hände, aber mein Pferd braucht schon ein spezielles Mindset, diese besondere Beziehung zu ihr ist gar nicht so leicht aufzubauen. Der Gedanke, sie zurücklassen zu müssen, ist schwierig. Aber der Gedanke sie wegzustellen, kam mir nie in den Sinn. Vielmehr wollte ich ihre Routine und ihre Rolle in der Gruppe aufrechterhalten. Das war mir wichtig.”
Sigrid, *1975
Zusammen mit ihrem Mann haben die beiden sechs Pferde, davon zwei sehr alte, die ihre Pension genießen und zwei Junge, die ebenfalls auf einer Weide stehen.
“Ich bin verheiratet und meine Pferde würden an meinen Mann fallen, der ebenfalls Reiter ist. Zusammen haben wir sechs Pferde. Meine Stute ist noch jung, man kann sie bestimmt gut verkaufen. Ich habe auch noch nicht so eine Beziehung zu ihr, sie steht noch in Ungarn und ich sehe sie wenig. Mein Reitpferd ist 15 Jahre und ich würde es vielleicht als Lehrpferd zur Verfügung stellen. Es ist sehr gut ausgebildet.
Nach meiner Krebserkrankung vor zwei Jahren habe ich den Wallach einer Freundin zur Verfügung gestellt. Ihn wegzustellen wäre nicht in Frage gekommen. Denn für mich war wichtig, dass ich in den Stall kommen konnte. Hier hat ohnehin jeder gewusst, was los ist und keiner hat mich komisch angeschaut. Das war so eine Art Safe Space hier, das habe ich sehr genossen. Natürlich ist das auch eine finanzielle Sache. Das sollte man sich wirklich überlegen, so eine Krankheit geht richtig ins Geld, Privatärzte und schnelle Termine. Wir sind in der glücklichen Situation, dass wir uns das leisten können. Ich hatte auch das Glück, dass mein Dienstgeber voll hinter mir gestanden ist. Das Pferd zu erhalten ist kostspielig, aber das Pferd gerade in so einer emotionalen Situation hergeben zu müssen ist doppelt schwierig. Da würde ich wahrscheinlich die Koppelvariante wählen.”
Michaela, *1978
Die Beraterin hat zwei Pferde und klare Ansichten. Sie ist überzeugt, wenn finanzieller Druck zu einer ohnehin nicht so guten Lebensphase dazu kommt, ist die Belastung wahrscheinlich noch größer.
“Ich habe eine reitende Tochter und ein gutes Netzwerk, um die Pferde zu versorgen – das traue ich mich zu sagen. Ich könnte ein Radel einrichten mit Freundinnen, die teilweise schon in Pension sind (Fluch und Segen unseres Alters), die würden meine Pferde zumindest eine Zeit lang betreuen. Das sind alles Reiterinnen, auf die ich zurückgreifen könnte. Aber ich könnte es mir nicht leisten, die Pferde durchgehend in einen professionellen Beritt zu geben. Das geht ein paar Wochen. Wenn es sich um Monate dreht, würde ich die Pferde auf eine Koppel stellen. Dann hast du sie gut versorgt und abgehakt im Kopf. Eine Auszeit genießt vielleicht sogar das Pferd mehr, als wenn es von einer Hand in die nächste geht. Und danach hole ich sie wieder. Das ist meine sehr persönliche Lösung im Kopf.
Andererseits holt man sich auch sehr viel Kraft aus der Begegnung mit dem Pferd, etwa während der Genesung. Ich glaube, wir überschätzen auch manchmal die Bedeutung des Beritts. Ein Pferd kann, glaube ich, auch gut ausgelastet sein, wenn es nicht jeden Tag geritten wird. Ich halte es für extrem wichtig, die Dinge zu regeln und bin ein totaler Verfechter fürs Testament. Ein Pferd kann nur übernehmen, wer es sich auch leisten kann. Die Dinge müssen auf jeden Fall geklärt werden. Pferde kosten einfach Geld.”
Edith, *1961
In ihrer Pension hat sich die passionierte Reiterin für ein fünfjähriges Dressurpferd entschieden, das ihre Trainerin für sie mit ausgesucht hat. Auch sie hat beim Pferdekauf nichts dem Zufall überlassen und vorgesorgt.
“Ich bin Pensionistin und habe schon alle Themen, die auf uns zukommen könnten, besprochen, bevor ich mir ein junges Pferd gekauft habe. Alles andere wäre verantwortungslos. Mein Wallach geht an meine Patentochter. Die ist Turnierreiterin und hat selbst schon ein Leben lang Pferde. Bei ihr weiß ich mein Pferd in besten Händen. Es hat einen ausnehmend angenehmen Charakter und macht auf Turnieren ebenso gute Figur wie bei meinen gemütlichen Ausritten. Auch sonst ist er ein sehr unkompliziertes Pferd. Natürlich wurde zuerst alles im Vorfeld besprochen, ob sie ihn überhaupt haben will und so. Zusätzlich gibt es noch eine monatliche Apanage zum Pferd. Das kann ich ja einem Erben nicht zumuten, dass er dann ein Pferd und einen Haufen Kosten hat. Ich habe meinen Buben durchfinanziert bis zu seinem 30. Geburtstag. Danach muss sich mein Patenkind alleine kümmern. Ja, das ist bereits testamentarisch festgehalten.”
Sandra, *1974
Ganz anders ist die Lösung von Sandra, die davon ausgeht, ihr Pferd zu überleben. Trotzdem hat auch sie einen Plan. Das ist zwar eher zufällig passiert, für ihr Pferd macht das aber ohnehin keinen Unterschied.
“Dieser Gedanke ist für mich sehr furchtbar und du wirst lachen, wir haben erst vor nicht zu langer Zeit davon gesprochen und meine Freundin Sigi sagt zu mir, würde mir etwas passieren, würde sie sich um mein Pferd kümmern. Das ist ein Gedanke, der mich ein bisschen beruhigt, weil ich in meiner Familie niemanden habe, der mit Pferden etwas zu tun hat. Und es wäre für mich eine Katastrophe, nicht zu wissen, dass mein Pferd gut versorgt ist. Ich habe das nicht testamentarisch verfügt, sondern hoffe, dass meine Familie an meinen engsten Freundeskreis herantritt. In meiner Familie würde niemand etwas mit einem Pferd anfangen. Da wäre Sigi die beste Lösung. Wir hoffen zwar nicht, dass es jemals so weit kommt, dass ich vor meinem Pferd diese Erde verlasse. Aber wenn es so ist, weiß ich, dass sich jemand um meinen Buben kümmern wird.”
Aus Gründen der Sachlichkeit wurde auf die Nennung der Pferdenamen verzichtet. Die Vornamen und Geburtsjahre sind echt oder exemplarisch, das kann der/die Leserin selbst entscheiden. Tatsächlich sind es wahre Lebensgeschichten.
Weiterführender Link: Krankheit, Unfall, Tod – Recht für mein Pferd
Text & Bild: © Andrea Kerssenbrock