… für das Pferd.
Viele Themen im Pferdesport drehen sich um das Thema Sicherheit. Dabei denken wir an die Sicherheit für den Reiter, sichere Koppelzäune, sichere Hindernisse, den sicheren Transport usw. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Wer denkt schon an die Sicherheit, die der Mensch einem Pferd vermitteln muss? Die wir ihm eigentlich schuldig sind. Wer denkt daran, dass sein Pferd sich fürchtet vor den Unzulänglichkeiten des Reiters?
Nehmen wir ein junges Pferd. Es ist unverdorben, noch nicht ganz ausbalanciert und lernt gerade einen Reiter auf seinem Rücken zu tragen. Es stellt wenig Fragen, denn es ist voll und ganz dabei mit der neuen Situation umzugehen. Wir wissen, das Pferd ist ein hoch soziales Wesen und uns sehr nahe. Es vertraut darauf, dass der Reiter die Balance halten, ihm die Richtung weisen und es sorgsam führen kann. Doch irgendwann im Laufe dieser Lehrzeit – das Pferd ist nun gut im Gleichgewicht, hat etwas Muskeln bekommen und Kondition aufgebaut – stellt es Fragen. Wie ein Schulkind. Muss ich da vorbeigehen? Echt jetzt? Warum darf ich nicht einfach nach vorne preschen? Und ist der Bach durch den ich da gehen soll wirklich nicht gefährlich?
Wer auf diese Fragen keine klaren (!) Antworten hat, wem das reiterliche Können fehlt oder das Geschick, wer selbst Angst hat – der ist für sein Pferd (zumindest derzeit) einfach nicht geeignet. Es muss auch nicht am reiterlichen Können liegen. Menschen werden älter, sind nicht mehr so beweglich, scheuen das Risiko eines Sturzes. Es gibt viele Gründe sein Pferd reiten zu lassen. Irgendwann steigt man selbst wieder in den Sattel, bildet es weiter aus oder lässt es ausbilden. Zumindest vernünftige Menschen machen das so.
Unvernünftige Menschen greifen zu anderen Methoden. Sie wechseln die Trainer – oder sollte man besser sagen die Berater, die oft keine ausgebildeten Trainer sind. Andere longieren (zentrifugieren?) ihre Pferde zu Tode. Wieder andere greifen zu schärferen Gebissen und Hilfszügeln. Manche werden übergriffig, fühlen sich vom Pferd provoziert. Das Pferd dankt es einem nicht! Wie dumm muss man sein? Als ob farblich abgestimmte Bandagen und Heilmassagen bei Vollmond eine solide Ausbildung wettmachen könnten. Als Reiter seinem Pferd ein gutes Gefühl zu geben ist mehr wert als jede noch so gut gemeinte Karotte.
Sicherheit ist für ein Pferd mehr als grundlegend – es ist überlebenswichtig. Bedeutet doch in der freien Wildnis einzig und allein die Herde Sicherheit. Das Vertrauen in die Leitstute beim Durchfurten von Wasserstellen, der Schutz des Verbandes bei einem Angriff, die Verteidigung des Hengstes gegen Konkurrenten, die patrouillierenden Junghengste – all das vermittelt Sicherheit und macht eine Gruppe erst stark.
Im Stall sind wir die Gruppe. Wir gewährleisten genügend Futter und Zugang zu einer Wasserstelle – das einzige, was dem freilebenden Pferd nicht immer sicher ist. Darüber hinaus müssen wir uns stets Gedanken machen, welche Lösungen es gibt, die unsere Zusammenarbeit mit dem Pferd sportlicher, einfacher und letztlich auch entspannter machen. Denn das Pferd will! Es will leisten, will gefallen, will zusammenarbeiten und dabei schwitzen. Es will sich nur nicht fürchten müssen.
Foto: © Helena Lopes / unsplash