Oberstallmeister Johannes Hamminger feierte sein 40-jähriges Dienstjubiläum an der Spanischen Hofreitschule. HorseFolk hat ihn besucht.
Sein erstes Pferd hieß Zita wie die letzte Kaiserin von Österreich und war eine Haflingerstute. Sie konnte auf Kommando auf den Hinterbeinen stehen, auf ihr hat er seine ersten Reiterfahrungen gemacht: „Wie ein Indianer. Ich habe ein Schaffell über ihren Rücken gelegt und so sind wir durch den Dunkelsteinerwald geritten. Das war eine richtige Freundschaft.“
Heute, am 1. März 2016, feiert Oberstallmeister Johannes Hamminger sein 40-jähriges Dienstjubiläum an der Spanischen Hofreitschule. Er verantwortet das Wohl der weltberühmten Lipizzanerhengste in der Stallburg. Hamminger spricht leise, erfahren, unaufgeregt.
Es war am 1. März 1976 als der gelernte Mechaniker mit 18 Jahren den Dienst in der „Spanischen“ antrat. Er war schon als Kind pferde- und naturverbunden. Wollte erst Förster werden, dann Koch. Letzteres erlaubte der Vater nicht. „Dann stehen vier in der Küche und ich allein in der Werkstatt“, fürchtete der Transportunternehmer, Vater zweier Töchter und von Johannes, der den Betrieb einmal übernehmen sollte.
„Wir haben zuhause immer Pferde gehabt“, erzählt Hamminger von den Anfängen der Reiterei. Die Eltern hatten zwei Haflinger gekauft und waren beide geritten, die Mutter war zudem eine begnadete Fahrerin. Als einziges Kind ihrer Eltern arbeitete sie wie ein Bub von Kindesbeinen an mit Pferden. Gerne spannte sie die Rösser ein und fuhr für Hochzeiten und Firmungen. Der selbstverständliche und entspannte Umgang mit Pferden prägte das Leben der ganzen Familie.
Selbst das Reiten hat Johannes Hamminger fast beiläufig gelernt. Wie das früher eben war. Er konnte galoppieren wie der Teufel, Blümchen pflücken vom Sattel aus und aus dem Stand auf jedes noch so hohe Pferd aufspringen. Inzwischen hatten zwei Warmblutstuten die Haflinger im Stall Hamminger abgelöst – Csaipka, die Ungarin mit Trakehnerblut, und Taika, rein ungarisch gezogen.
Mit Csaipka und Taika nahm die Mutter Fahrunterricht bei der bekannten und international erfolgreichen Gespannfahrerin Christa Volke, die ebenfalls in der Gegend wohnte. Einmal pro Woche fuhr die Familie außerdem zum Reitunterricht nach St. Pölten. Herr Paul war bei Gericht angestellt und nebenbei Reitlehrer – und er war der Bruder von Bernhard Paul, dem späteren Gründer des Circus Roncalli.
So geschah es, dass Johannes Hamminger eines Tages von zuhause zum Turnier nach St. Pölten ritt. Zirka 30 Kilometer legte er zurück, Raureif lag über der Landschaft und der Weg zog sich. Mit dem wenig springbegabten Pferd des Vaters ging die Caprilliprüfung ziemlich daneben und Hamminger landete nach einem veritablen Salto im Sand des Vierecks. Im Richterhaus saß kein geringerer als Brigadier Kurt Albrecht, langjähriger Leiter der Spanischen Hofreitschule.
Der junge Reiter zögerte nicht und stellte sich Albrecht vor. Wenig später flatterte eine Einladung zum Vorreiten ins Haus. Erster Oberbereiter war damals Ignaz Lauscha, mit ihm beurteilten Norbert Tschautscher, Ernst Bachinger und Arthur Kottas-Heldenberg die Kandidaten. Johannes Hamminger gehörte zu jenen, die die Aufnahmeprüfung bestanden.
40 Jahre – Zeit der Veränderungen
In den vergangenen 40 Jahren hat sich im Pferdesport viel getan. Von den harten Warmblutstämmen der Furiosos und den kompakten Nonius, die Johannes Hamminger im damaligen staatlichen Hengstdepot Stadl-Paura unter dem Sattel hatte, ging die Warmblutzucht rasant in Richtung Sportpferd. Bei einem kurzen Intermezzo in Stadl-Paura im Jahr 1980 kam Hamminger schwer zu Sturz und kehrte nach längerer Rekonvaleszenz zurück nach Wien.
Auch in der Hofburg brach sich die Entwicklung Bahn. Johannes Hamminger absolvierte seine Lehrzeit und bildete den Hengst Pluto Verona aus, der später als Stammhengst des Stanglwirts Berühmtheit erlangen sollte. Mit Conversano Kitty I ritt Hamminger bis 1989 in der Schulquadrille. Das neue Jahrtausend brachte frischen Wind in die alten Mauern. Frauen positionierten sich erfolgreich in der Männerbastion. Hamminger erlebt nun die ersten Damen in der Geschichte der Spanischen Hofreitschule und bedauert, dass in sieben Jahren erst eine Elevin durchgehalten hat*.
Schon 1989 wurde Johannes Hamminger zum Stallmeister bestellt. Bis 2008 ist er noch geritten, hat beim Anlongieren geholfen und war bei der Einschulung der Junghengste dabei. Seit er zum Oberstallmeister befördert wurde, liegt das Wohl der Hengste hauptverantwortlich in seinen Händen. Klassische Zuständigkeiten wie Personal- und Futtermanagement, Tierarzt, Hufschmied und Sattelkammer sind obligat. Darüber hinaus macht er sich viele Gedanken zum Naturell der Pferde.
Als wiederkehrende Herausforderung bezeichnet er etwa die dreimonatigen Intervalle der Hengste zwischen Heldenberg und Wien. Dass es beim Wechsel zu keinerlei Aufregung im Stall kommt, verlangt ein gutes Gespür für jedes einzelne Pferd. Hamminger mag es, wenn die Hengste sich vertragen, gut mit ihren Boxnachbarn auskommen und zufriedene Ruhe im Stall herrscht. Dass dies gelingt, dafür zerbricht er sich gerne den Kopf.
Die regelmäßige Auszeit der Pferde am Heldenberg findet der erfahrene Pferdemann extrem wichtig. Die Hengste erleben Abwechslung und Freizeit, kommen auf die Koppel und werden ins Gelände geritten. Das stärkt den Geist und macht den Kopf klar.
Überhaupt hält er einiges auf positive Energie und Shakren. So bekommen die Hengste ätherische Öle, etwa um Blockaden zu lösen, sie bei Angst mutiger zu machen oder den Stoffwechsel zu aktivieren. Je nachdem. Auf jeden Fall aber, um sie physisch wie psychisch fit zu halten. Auch Magnetmatten wirken sich positiv auf Shakren aus, ist Hamminger überzeugt.
Bewegung und Wellness
Bereits seit 2003 werden die Lipizzaner mit Granderwasser versorgt, sie bekommen chiropraktische Behandlungen, eine Entgiftungskur im Frühjahr und werden regelmäßig gewogen. Ein ausgewogener Futterplan sorgt für körperliches Wohlbefinden und stärkt das Immunsystem. Ebenso der Einsatz von Mikroorganismen, mit denen auch der Stall gereinigt wird. Positive Keime werden unterstützt und negative abgetötet, erklärt der Stallmeister der Nation.
Es ist eine Entwicklung der Zeit, dass die Hengste nun auch in der Stadt mehr Bewegung haben – die Schrittmaschine ist die größte Führanlage der Welt. Sie ist täglich in Betrieb. Hingegen ist das Scheren im Winter kein Thema. Nur im Ausnahmefall, wenn beispielsweise bei sehr alten Hengsten der Fellwechsel zu anstrengend wird, greift der Stallmeister zum Schergerät. Ansonsten will er nicht ins natürliche System eingreifen, zumal innerhalb der Burgmauern das ganze Jahr über angenehme klimatische Verhältnisse herrschen.
Ein Leben voller Anekdoten
Johannes Hamminger blickt zurück auf soviele Erinnerungen, dass er eine Weile nachdenken muss, welche er teilen soll. Zu den absoluten Höhepunkten gehören auf jeden Fall die Tourneen, die Auftritte in aller Welt vor meist ausverkauften Hallen, die Staatsempfänge und königlicher Besuch wie der von Queen Elisabeth II oder Lady Di in London.
Wenn er an Paris denkt, wo die vier Schulen aufeinander trafen, bekommt er heute noch Gänsehaut. Die weißen Lipizzaner aus Wien, die braunen Hengste der königlich andalusischen Schule in Jerez, die Apfelschimmel der portugiesischen Schule und die Füchse der französischen Cadre Noir – das war ein einmaliges Erlebnis, betont er. 100 Hengste in einer Halle, Schule über der Erde mit 16 Pferden, dazu die spanische Musik, solch berührenden Momente vergisst man nicht.
Ähnlich emotional erlebte Oberstallmeister Hamminger die 450-Jahr-Feierlichkeiten im vergangenen Jahr. Die Auftritte auf dem Heldenplatz und das perfekte Sommerwetter, dafür ist er unendlich dankbar. Ein wenig verhalten erinnert Hamminger sich an gekrönte Häupter und prominente Namen. Es liegt ihm nicht, sich mit Begegnungen hervorzutun, die sein Beruf mit sich bringt.
Was ihm, dem Pferdemenschen mit Leib und Seele, umso wichtiger ist, ist der neue Ton in der Dressurreiterei. Die Engländer, die ihre Pferde so unglaublich gelassen und souverän präsentieren – das zu sehen bereitet dem stillen Meister der Stallburg ein besonderes Vergnügen. Die Ruhe eines Carl Hester, die ihn so anspricht, hat er längst selbst. Mit ihr dirigiert er das weiße Orchester leise und klar. Das zufriedene Schnauben der Pferde ist genau die Antwort, die er sich wünscht.
* Über die Frauen in der Spanischen lesen Sie mehr im Portrait Drei Frauen.
Fotos & Text: Andrea Kerssenbrock