Das vielleicht Schönste am Pferdesport ist, dass ihn Menschen in jedem Alter gemeinsam ausüben können. Zusammen reiten, einander helfen und die Liebe zum Pferd haben keine Altersgrenze – weder nach oben noch nach unten.
„Reiten ist das einzige Hobby, wo man Freundinnen von acht bis achtzig hat“, erklärte mir kürzlich eine Freundin, die den Pferdesport gemeinsam mit ihren Teenagertöchtern entdeckt hat. Sie hatte gerade ihren 40. Geburtstag gefeiert und ist nun, einige Jahre später, stolze Besitzerin von drei Pferden. Sie hat so recht, wenn sie betont, wie unkompliziert der Umgang miteinander ist, wie sehr man voneinander lernen kann.

In der Reiterwelt verschwimmen Altersgrenzen. Frauen in unserem Alter lieben ihre Pferde ebenso wie Mädchen ihre Ponys. Wir wünschen uns glückliche Pferde. Wir gehen miteinander ausreiten, tauschen uns aus. Wir lernen voneinander. Wir helfen uns gegenseitig. Wir reiten bei Trainerinnen, die jünger sind als wir selbst. Und wir hören bei all dem nie auf zu lernen. Man reitet mit jemandem, der viel jünger ist oder auch älter – und man redet über Pferde. „Altersübergreifendes Reiten funktioniert“, schwärmt die Teenagermutter, deren Töchter längst erwachsen sind. „Niemand findet es komisch, wenn ich mit drei jungen Mädels ausreiten gehe. Und ich komme mir auch nicht komisch dabei vor.“
Als Modell 50plus trägt man schon einen großen Rucksack an Erfahrungen, Können, Technik, Gefühl, Antizipation und gewachsener Vorsicht mit sich herum. Damit kompensieren wir die kleinen Körperlichkeit, die sich zur beachtlichen Lebenserfahrung mischen. Man ist nicht mehr so elastisch, weniger mutig, springt nicht mehr so leicht rauf und runter wie in jungen Jahren. Darum trainieren wir im Fitnessstudio, dehnen, laufen, tanzen oder finden uns im sanften Yoga wieder. Im Stall schieben wir Scheibtruhen und schleppen Kübel wie immer, wir misten unsere Paddocks selber ab und nehmen uns Zeit. Wir optimieren die Tage unserer Pferde mit Wellness und Spazierrunden, und wir freuen uns über Austausch in der Stallgasse.
Meine langjährige Pferdefreundin Marianne ist schon seit einigen Jahren in Pension und hat sich nach erfolgreicher Hüftoperation wieder ein Pferd gekauft. Sie hält sich zusätzlich in der „Muckibude“ fit und möchte keinen Tag beim Pferd missen. Und sie weiß, dass das Reiten auch ein Ablaufdatum haben kann. An diesen Tag X möchte sie gar nicht denken. Sie sagt: „Das Alter ist beim Reiten kein Thema. Zumindest habe ich es noch nie so empfunden. Vielleicht reitet man nicht mehr so geschmeidig wie eine Junge, aber ganz ehrlich? Es gibt Alte, die reiten so gut, dass viele Junge nicht mithalten können.“
Eine gute Stallgemeinschaft sieht sowieso über Altersunterschiede hinweg. Jede hilft jeder und wir schauen aufeinander. Es ist in keinem Alter peinlich, sich etwas nicht zu trauen und in jedem Alter doof, über seine Verhältnisse zu reiten. Das Schöne am Reiten ist die Begegnung mit Menschen, die alle nur eines möchten – eine gute Zeit mit ihrem Pferd verbringen.
Text & Fotos: © Andrea Kerssenbrock
