Der erste Lockdown im Pferdestall hat Narben hinterlassen. Ein Jahr später sind sie verheilt. “Den Klauen von Corona entkommen wir nicht”, so startete ich vor exakt einem Jahr meinen Kommentar. Damals wusste ich noch nicht, dass ich wochenlang mein Pferdekind nicht sehen würde. Ein Jahr später befindet sich die Welt und somit auch die Pferdewelt immer noch im Ausnahmezustand.
Irgendwie haben wir als Familie und Tierbesitzer dieses Jahr ganz gut hinbekommen. Trotz coronabedingter Beinahe-Enteignung der Pferde und viel Ungewissheit. Nach längerer Suche habe ich einen Kraftplatz für uns und unsere Pferde gefunden. Und eine neue Serie hat mich gefunden. Nachzulesen ab April in der Printausgabe der Pferderevue, dem österreichischen Pferdemagazin.
Den Klauen von Corona entkommen wir nicht. Noch vor einer Woche habe ich versucht die Situation sportlich zu sehen und gehofft, dass es “nicht so schlimm wird”. Nun versuche ich nicht durchzudrehen. Meine beiden Pferde sind bestens versorgt, das weiß ich und dafür bin ich unendlich dankbar. Aber…
Erstens. Ich bin ein Pferdemädchen. Immer schon. Und das bleibt auch so. Selbst wenn die Haare grau werden, die wilden Jahre hinter mir liegen und ich es mag, wenn mein Pferdekind nicht allzu übermütig ist (ich also eigentlich kein “Mädchen” mehr bin). Das Alter bringt dafür mehr Wissen, mehr Verständnis und mehr Geduld mit sich. Ein Tag ohne Pferd ist machbar. Zwei Tage fallen da schon schwerer. In der Kategorie Wochen oder gar Monate zu denken, raubt mir den Atem.
Zweitens. Ich schreibe Bücher und Reportagen in denen es oft und viel um die Nähe des Menschen zu seinen Tieren geht und umgekehrt. Ich habe die sozialen Kompetenzen von Pferden und Hunden studiert, beobachtet, erlebt, zu Papier gebracht. Das Wissen um die sozialen Bedürfnisse meiner Pferde ist Teil meines Berufs. Das Erleben dieser sozialen Kompetenzen lässt mir das Herz aufgehen.
Drittens. Ich bin Reitlehrerin geworden, weil ich Pferde liebe. Dieser Beruf ist wie viele andere auch derzeit völlig gelähmt. Sportunterricht ist generell untersagt und Beritte sind in vielen Ställen nur Betreibern und Personal erlaubt. Selbst Pferdebesitzer dürfen ihre Pferde nicht sehen, reiten oder versorgen.
Und viertens. Der Eingriff der Regierung in unsere Persönlichkeitsrechte ist massiv. Noch gilt auch im Ausnahmezustand das Grundprinzip jedes Rechtsstaates: Erlaubt ist, was nicht verboten ist. Ein wohlüberlegter Umgang miteinander ist eindeutig erlaubt. Dazu gehören alle Regeln, die einer juristischen Grundlage unterliegen. “Empfehlungen” und “Einschätzungen” halte ich für sehr problematisch, weil sie Auslegungssache sind. Und selbst wenn eine Gesellschaft zu Beginn eines Ausnahmezustands an einem gemeinsamen Strang zieht, aus der Geschichte wissen wir, dass eine Stimmung sehr schnell kippen kann.
Ich finde übrigens, dass Verbände und Pferdejournalist*innen gerade einen sehr fordernden Job machen. Sie recherchieren, erklären und versuchen zu beruhigen – siehe Berichterstattung in der Pferderevue. Danke dafür! Ich bin trotzdem verzweifelt. Und ich erlaube mir ausnahmsweise neidisch zu sein. Auf jene, die diesen Frühling mit ihren Pferden erleben, sie reiten dürfen, sie betreuen, sie riechen, sehen, knuddeln.
Ein schlechter Traum ist wahr geworden. Und auch wenn das ein Luxusproblem sein mag, ist er darum nicht weniger schlecht. Ich finde, auch das darf einmal gesagt werden!
Die Erstveröffentlichung dieses Beitrages unter dem Titel “Ich versuche gerade nicht durchzudrehen” fand vor genau einem Jahr, am 18. März 2020, statt.
Foto: Franziskus Korff-Schmising-Kerssenbrock