Freundlich-pferdischer Appell an die Gastfreundschaft.
Multikulti unter Pferden ist etwas ganz Normales. Im Stall treffen Araber auf deutsche Reitpferde und Isländer auf österreichische Warmblüter. Ihre Willkommenskultur ist mitunter freundlicher als die der Menschen.
Klein und bunt bedeutet nicht automatisch rangniedrig. Lackschwarz mit langer Mähne und blond mit blauen Augen nicht unbedingt überlegen. Pferde urteilen nicht nach Abstammung oder Aussehen. Begegnen sie einander zum ersten Mal, sind sie erst einmal neugierig und begrüßen sich. In der Regel gehen sie offen aufeinander zu und klären den Status ihrer Beziehung. Boxenpferde sind dabei naturgemäß deutlich eingeschränkter als Pferde in Gruppenhaltung. Kommunikation durch Gitterstäbe macht zwar die Kommunikation nicht leichter, aber mit etwas Willen entstehen trotzdem gute Nachbarschaften.
Auch in der Herde ist nicht jedes Pferd auf Anhieb glücklich. Rangordnung, Sympathie und Sozialisierung tragen wesentlich zum Wohlgefühl bei. Kommt ein fremdes Pferd in die Gruppe, wird es beäugt, beschnüffelt, bewertet. Es fühlt sich unbehaglich, wendet sich lieber Artgenossen zu, die freundlich und offen sind.
Unter Reitern ist es ähnlich. Man stößt in einer Gruppe neu dazu, kommt in einem neuen Stall, einer fremden Stadt oder einem fremden Land an und wird von oben bis unten beäugt, beurteilt, bewertet. Es braucht ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein, um sich nicht unbehaglich oder unsicher zu fühlen. Menschen neigen dazu – und das ist bei Herdentieren nicht anders –, sich dort wohlzufühlen, wo sie willkommen sind. Zugehörigkeit geht oft mit dem Gefühl einher, sich „wie bei Freunden“ fühlen, so aufgenommen zu werden, als würde man schon lange dazugehören.
Wer im neuen Stall reüssieren darf, beurteilt mitunter die Stallcommunity. Man wird beäugt, Pferd und Ausrüstung ebenso, und landet in einer Schublade. „Nett, aber fett“, „bemüht, aber anstrengend“, „reitet gut / mittel / schlecht“, „teure Ausrüstung, macht trotzdem am Pferd nichts her“, „das Pferd ist ein Knaller, aber…“, „weiß alles besser, kann aber nichts“, „schönes Pferd, aber wenig Gummi“ undsoweiter, undsofort.
Andererseits, wer neu ist und dazugehören möchte, sollte sich auch zu benehmen wissen. Angeber braucht kein Mensch und auch kein Pferd. Letztere haben das klar geregelt. Selbst wenn sie die Rangordnung immer wieder neu definieren, weil etwa neue Tiere dazukommen, alte Pferde schwächer werden, ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können oder Jungtiere kräftiger werden und ihre Position in Frage stellen. Wer dazugehören möchte, sollte gute Manieren an den Tag legen und sich an ein paar grundlegende Regeln für ein gelungenes Miteinander halten. Das gilt selbstredend auch für Zweibeiner.
Die Welt ist reich genug an Besserwissern, Nörglern, Platzhirschen und Skeptikern. Beim Pferd verbringt der Mensch seine Freizeit. Der Pferdesport ist ein teures Hobby, egal wie leistungsorientiert oder freizeitoptimiert man ihn betreibt. Jede und jeder sollte sich bei seinem Pferd wohlfühlen und qualitätsvolle Zeit verbringen können. – Okay, auch Pferde können ziemliche Biester sein. Sie können sogar Haare auf den Zähnen haben. Es geht aber eben auch anders. Und Achtung, Pferde spiegeln ihre Menschen! Fröhliche Menschen haben fröhliche Pferde und freundliche Menschen meist freundliche Pferde.
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