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Pferde brauchen Sicherheit

Pferde brauchen Sicherheit

Zweifelt der Reiter, verzweifelt das Pferd.

Wer sein Pferd zu einem verlässlichen Partner formen möchte, muss ihm Sicherheit geben. Dazu braucht es das Vertrauen des Reiters in sein Können, klare Anweisungen und Gelassenheit im Sattel.

Immer an die schlimmste aller Möglichkeiten zu denken, ist eine denkbar ungeeignete Ausgangsposition für ein schönes Reiterlebnis. Für den Menschen wie auch das Pferd. Besonders unerfahrene Pferde können mit Zweifeln des Reiters nicht gut umgehen. Pferde lesen uns Menschen, sie spüren Emotionen, Ängste und Bedenken. Das geht sogar soweit, dass ein aufwühlendes Ereignis, das gar nicht unmittelbar mit dem Pferd zusammenhängt (Ärger im Büro, Streit in der Familie und andere Sorgen) Auswirkungen auf das Pferd hat.

Als ich einer Freundin beim gemeinsamen Ausritt von den Sorgen einer Reitschülerin berichtete, die Flugzeuge am Himmel als Bedrohung sieht, während sie ihr Pferd in die Reithalle führt, war deren spontane Reaktion “Das würde meine Stute überhaupt nicht aushalten. Das würde sie total fertig machen!”

“Ich vertraue ihm nicht”, erklärte mir eine Reitkollegin und meinte ihr Mitreitpferd. Das sind schlechte Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Im besten Fall kompensiert ein erfahrenes Pferd derartige Unsicherheiten. Das muss aber nicht sein. Pferde wollen ihrem Menschen vertrauen können. Denn um sicher von A nach B zu kommen, muss der Reiter den Weg wählen – und nicht die Hindernisse, die sich ihm in den Weg stellen können. Geländereiten ist die wertvollste Arbeit, die man zwischen Dressur- und Springtraining überhaupt machen kann. Es ist reizvoll im Sinne des Wortes. Aber man muss sich eben trauen und vertrauen.

Das Reiten im Gelände verlangt dem Pferd den Umgang mit verschiedenen Situationen ab. Unterschiedliche Böden, hügeliges Terrain, Wald und Wiese, Schatten und Licht, das Rascheln von Laub unter den Hufen, das Geräusch eines Bussards, der zwischen den Stämmen auffliegt. Es ist unmöglich, alle Reize zu umgehen und neue Situationen zu meiden. Bei uns im Dorf sorgt das Leben hinter den Zäunen immer wieder für Überraschungen. Mal flattert die Wäsche an der Leine, mal bellt ein Hund hinter dem Zaun. Der Rasen wird gemäht – Achtung, Rasenroboter sind viel gruseliger als Menschen! Der Landwirt fährt mit dem Traktor vorbei (Traktoren sind heutzutage riesig und tuckern längst nicht mehr gemütlich übers Feld). Oder das Pferd findet sich unverhofft mitten in einer gackernden Hühnerschar, manchmal sorgt ein harmloser Esel für Irritation, von Schafen und Alpakas wollen wir erst gar nicht reden.

Wenn ein Reiter solchen Alltagssituationen nicht gewachsen ist, hat das natürlich unmittelbare Auswirkungen aufs Pferd. Jedes Pferd will sich auf seinen Reiter verlassen können. Darum ist die (Sattel-)Sicherheit des Reiters ein wesentlicher Faktor für einen entspannten Ausritt. Geländereiten ist durchaus anspruchsvoll und jedenfalls vielseitig. Es geht bergauf und bergab. Bei kleinen Gräben oder Gatschlöchern sollte das Pferd eine Lösung finden. Baumstämme liegen herum. Sie sind weiß (Birke), grün (bemoost) und baumstammbraun, nach Regen glänzen sie. Oft kann man darüber treten wie über eine Stange. Man begegnet bunten Bienenstöcken, dem verlassenen Pfandfinderlager, Hochständen unter denen bunte Tonnen mit Futter fürs Wild stehen, Holzstößen mit flatternden Plastikplanen, die darüber gelegt sind.

Pferde lassen sich gerne ablenken, das stimmt soweit. Doch mit der nötigen Sicherheit des Reiters von Anfang an haben die meisten von ihnen die beste Chance das Geländereiten so zu lieben wie meine Pferde es tun.

TIPP: Wenn es ernst wird, nicht zu viel schauen lassen. Besser eine weiche Verbindung zum Pferd herstellen, zügig weiter reiten und danach LOBEN.

Text und Foto: Andrea Kerssenbrock