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Ohne Decke durch den Oktober

Ohne Decke durch den Oktober

Deckenmanagement ist, man sollte es nicht glauben, alle Jahre wieder eine intensive Auseinandersetzung zwischen Vernunft und Fürsorge, zwischen Wissen und Gewissen.

Der Oktober steht vor der Tür und ich schlichte wieder einmal Pferdedecken hin und her. Was kommt in den Stall? Was kann zuhause bleiben? Und was lagere ich am Nebenwohnsitz? Logischerweise kommen dünne Abschwitzdecken, Regendecken und leichte Stalldecken ganz oben auf den Stoß. Darunter liegen die wasserdichte Nierendecke zum Ausreiten bei leichtem Regen und die festere Abschwitzdecke. Eine dünne Unterdecke kann auch nicht schaden, vielleicht friert das Pony ja doch?

 

Das Rückwärtstagebuch

OKTOBER 2022. Ein milder Oktobermorgen mehr und noch immer habe ich das Pferd nicht eingedeckt. Umso länger dauert das intensive Putzen, das eine neue Beziehungsqualität zwischen mir und dem Pferdekind schafft. Heute Morgen habe ich überlegt, wann ich zuletzt meine Pferde im Oktober noch nicht eingedeckt hatte. Das ist tatsächlich schon eine Weile her. Selbst meine pensionierte Oldie hatte ich nach einem Winter mit Mammutfell (ich glaube, es war 2018/19) im Jahr darauf wieder zugedeckt. Und ich schwöre, sie hat sich mit ihrer Kuscheldecke wohler gefühlt als mit den zehn Zentimeter langen Haaren unter denen ihre Schönheit fast und ihre Eleganz ganz verschwunden waren.

Dieser Herbst ist sehr gnädig mit seinen Temperaturen und wir also noch immer nackt mit Fell. Eine dünne Decke für frostige Nächte hängt zwar schon bereit, ist aber noch nicht zum Einsatz gekommen. Noch wälzt das Pferd sich täglich im Paddocksand und genießt die intensive Körperpflege mit Magic Brush, Massagestriegel, Bürste und finaler Fellglanzbürste. Absolutes Highlight beim Putzen sind die Stellen entlang des Mähnenkamms und auf der Kruppe. Dieser Tage wurde ich von meinem Pferdebuben dankbar zurückgekrault. Für das innige Gefühl dieser liebevollen Interaktionen werde ich wohl nie zu alt sein.

Vor zwei Jahren war das Klima irgendwie anders. Da haben wir schon im September die Decken bereit gelegt.


HERBST 2020. Ich gebe es zu, ich freue mich jetzt schon auf die Deckensaison. Zum einen, weil die Reittemperaturen dann wieder meiner und der Komfortzone meiner Pferde entsprechen. Zum anderen, weil – besonders in der gatschigen Jahreszeit – dann die Decke eingesaut ist und nicht das Pferd. Es gibt natürlich die Gruppe jener Pferdebesitzer, die auf robust setzen und mich jetzt gerne prügeln würden. Aber ich stehe dazu: Decken haben durchaus Vorteile.

Im Sommer schützen sie vor lästigen Insekten, im Herbst vor unkontrollierbarem Fellwuchs (und dem erwähnten Gatsch) und im Winter vor praktisch allem. Vor dem Sturm, vor Schnee und Graupel, vor Kälte und ganz besonders vor verschwitztem Winterfell, das nach der Arbeit ewig nicht trocknet. Durch die Decke geschütztes Fell bedeutet auch weniger Aufwand beim Putzen. Das kürzere Winterfell ist selbstredend leichter zu pflegen als ein dicker Pelz. Außerdem vermeide ich beim Putzen in einer Staubwolke zu stehen, was ich grundsätzlich angenehm finde. Vermutlich findet es auch das Pferd angenehm, da es dann weniger Staub einatmen muss. Man bedenke zudem die Staubentwicklung in einer Stallgasse wenn 20 Pferde hintereinander geputzt werden.

Harte Dreckkrusten mit dem Kuhstriegel vom Fell zu schaben macht einfach keinen Spaß. Die Zeit nutze ich viel besser, wenn ich mit dem Massagestriegel die Wohlfühlzonen meines Pferdes bearbeite. Besonders beliebt sind jene Stellen, die auch bei der gegenseitigen Fellpflege von Pferden eine Rolle spielen – der Bereich am Hals und um den Widerrist, Rücken und Kruppe. Seit das Pferdekind mir nachdrücklich kommuniziert, wo es besonders fest geschrubbt werden will, finde ich (die ich nie ein begeisterter Groom war) sogar das Hantieren mit Striegel und Kardätsche recht vergnüglich. Es ist so ein verbindendes Element zwischen Mensch und Pferd, das sich im besten Fall in einem guten Training wohlig fortsetzt.

Wann aber ist der geeignete Zeitpunkt, um mit dem Eindecken zu beginnen? Am liebsten jetzt. Die Tage werden schon deutlich kürzer und es heißt ja, dass der Fellwechsel damit zu tun hat. Sobald es in der Nacht unter zehn Grad bekommt, ist es Zeit für eine leichte Übergangsdecke. So halte ich das auch im Frühjahr. Über zehn Grad bedeutet Decke weg, sinken die Temperaturen darunter bleibt sie drauf.

Update 2024: Die Tage sind schon merkbar kürzer, das Fell ist kaum länger, aber deutlich dichter. Der Plan lautet gezieltes Dressur- und Springtraining über den Winter, Ausritte bei moderatem Winterwetter ohne Nierendecke, bei Frost und Eiseskälte mit Nierendecke.