Christian Graf Plettenberg ist die Stimme des Pferdesports. HorseFolk hat zugehört.
Er spricht Aachen – das CHIO wie auch Europameisterschaften. Wie aus einem ambitionierten Nachwuchsreiter ein Bariton wurde und welche Rolle Hans Heinrich Isenbart dabei spielt, erzählt er im HorseFolk Gespräch.
„Es war der pure Zufall. Ich bin Springen geritten, wollte es meinem Vater gleichtun, der ja selbst noch in Aachen an den Start ging. 1949 war sein letztes Jahr in Aachen und das erste Jahr von Hans Günter Winkler*. Da ist eine große Freundschaft entstanden, die ich schon als Kind miterlebt habe und die ich bis heute intensiv pflege. Ich stand von Anfang an im Zentrum des Pferdesports.“ Aus der Karriere als Berufsreiter wurde nichts. Der Vater, Georg Graf Plettenberg, war strikt dagegen. „Die Zeiten ändern sich, womit er natürlich vollkommen recht hatte.“ Der Sohn studierte Betriebswirtschaft in Wien und verwaltet seither seinen Forst- und Gutsbetrieb in der Steiermark. Und ist dem Pferdesport doch treu geblieben.
Etwa zweimal pro Monat ertönt nun seine charakteristische Stimme auf Pferdesportveranstaltungen. Es sind die hochkarätigen, die traditionellen und die außergewöhnlichen zu denen er eingeladen wird. Dieses Jahr sind es gleich zwei Höhepunkte des Pferdesports – im Juni waren es die Galavorstellungen anlässlich der 450-Jahr-Feierlichkeiten der Spanischen Hofreitschule, momentan sind es die Europameisterschaften in Aachen.
Geplant war das nicht. „Ich mache das seit 1982, zuerst mehr zufällig. Mein erstes internationales Turnier war das Fest der Pferde in der Wiener Stadthalle 1985. Das war ein sensationelles Erlebnis. Dort stand im Jahr darauf zufällig Hauke Schmidt und sprach mich an.“ Es folgten Stuttgart und bald einmal Aachen.
Er, der früher als Tenor im Kirchenchor gesungen hatte und dessen Bruder Ferdinand tatsächlich Opernsänger wurde, spricht nun den schönsten Bariton des Pferdesports. Auf dieser Bühne bewegt er sich mit der unvergleichlichen Nonchalance des Grafen Plettenberg – und ist gleichzeitig „der Pletti“, den die Großen des Pferdesports als Freund und Berater schätzen – Turnierreiter ebenso wie Bereiter der Spanischen Hofreitschule. Der mit Legenden wie Hans Günter Winkler aka HGW und Hans Heinrich Isenbart groß wurde und Hugo Simon zu seinen engsten Freunden zählt.
„Meine Stiefgroßmutter war eine begnadete Reiterin, damals im Damensattel.“ Unter ihr erlebte – „Oder soll ich sagen erlitt?“ – er seine ersten Reitstunden. Später in der Reitschule seines Onkels Landsberg genoss er seine erste richtige Ausbildung. „Im Alter von zehn Jahren bin ich mein erstes Turnier geritten und so ist es halt dahin gegangen mit meiner Amateurspringreiterkarriere. Das Vergnügen war immer größer als das Können. Aachen habe ich dann über den zweiten Bildungsweg übers Mikrophon genommen.“ Plettenberg lacht.
Die Zeit mit Hans Heinrich Isenbart
„Man wird in Aachen immer erst mal ausprobiert. Die hohen Herren beurteilen das. Dann habe ich das Glück gehabt Hans Heinrich Isenbart kennen gelernt zu haben. Er hat mich unter seine Fittiche genommen. Ich glaube mit Stolz sagen zu dürfen, ich war sein einziger echter Schüler am Mikrophon.“ Plettenberg verdankt es seiner Erziehung, dass er mit den Herrenreitern der alten Garde umzugehen wusste. „Das habe ich natürlich von Anfang an gelernt, höflich zu sein, Grüß Gott zu sagen, den Mund zu halten solange man nicht gefragt wurde. Hans Heinrich mochte mich, ihm hat es Spaß gemacht mir etwas beizubringen“.
Hans Heinrich Isenbart* war väterlicher Freund und Mentor. „Ich durfte ihn alles fragen. Er war all das was wir alle heute nicht mehr sind in einer Person. Ein Humanist erster Güte, Hippologe erster Güte, Journalist in allen Bereichen bis hin zum Fernsehen. Der Idealfall. Das sind wir alle nicht mehr, zumindest nicht gleichzeitig.“ Es sind die Nuancen auf die es ankommt. Im Leben und in der Stimme. „Viel hängt mit Gefühl zusammen. Mit dem Gefühl für den Augenblick, für die Pferde, für die Stimmung. Für alles, was Gott gegeben ist. Stimme ist keine Leistung.“
Plettenberg erinnert sich an die gemeinsame Zeit, an die Manöverkritik am nächsten Tag – „Er hatte so eine ausnehmend feine Art“ –, an den ersten Zapfenstreich, den er selbst ansagen sollte. „Was soll ich machen?“, rief er ihn an. „Und dann hat er mir einen Stapel großer Zapfenstreiche geschickt mit dem kleinen Hinweis ,Da ich dich gut genug kenne, dass du niemals kopieren würdest’. Für mich war das ein Fangnetz. Es ist mein Erbe, das ich hüte wie einen Schatz.“
Und wenn es ihm doch einmal die Sprache verschlägt? „Den Augenblick darf es nicht geben, weil du genau in diesem Moment für das Publikum da bist. Das macht die Sache nicht leichter, weil du das momentane Gefühl treffen musst. Dafür gibt es Grundsätze, Hans Heinrich hat gesagt ,Bleib du selbst. Und wenn du das Gefühl hast, du hast keine Worte für eine Situation, dann sag dem Publikum, dass du keine Worte hast’. Man muss nicht in jeder Situation irgendwie plaudern. Schon gar nicht plaudern! Es gibt Augenblicke, da ist es besser den Mund zu halten.“
Aachen, roter Faden im Leben
Als Kind mit dem Vater, später an der Seite von HGW und bis 1991 als Equipechef der österreichischen Springreiter. Aachen zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben des Christian Plettenberg. Das Jahr, in dem Thomas Frühmann den Großen Preis in Aachen gewonnen hatte, war sein letztes Jahr als Equipechef. 1992 war das erste Sprecherjahr im Stadion. Wie das war?
„W-a-h-n-sinnig aufregend! 40.000 Menschen im Stadion, man musste Ehrfurcht haben. Hans Heinrich hat gesagt ,Mach die Augen zu und sprich’. Ich habe mich auch gleich wohl gefühlt in Anwesenheit der vielen Menschen. Ich fühle mich immer wohler als wenn die Ränge noch leer sind. Die Nervosität ist vorbei wenn die Leute da sind.“ Mit ein Grund, warum er mit Fernsehkameras Probleme hat, weil „ ich nicht weiß für und vor wem ich spreche. Zum Glück gibt es viele Kollegen, die das unbedingt machen wollen“.
Für den Moderator selbst hängt alles an der akribischen Vorbereitung. „Ich glaube ich habe kein besonders großes Selbstvertrauen. In dem Augenblick , in dem es losgeht, muss einfach alles sitzen. Dazu gehört gnadenlose Vorbereitung.“ Rund 8.000 Reiterinnen und Reiter und etwa doppelt so viele Pferde verwaltet er in seiner Datei und hat auf einen Blick Informationen und Ergebnisse zu jedem Starter parat. Die Aufbereitung nimmt jeden Montag zwei bis drei Stunden in Anspruch, früher waren es Karteikarten, heute ist es der Laptop. „Ich brauche das Gefühl für einen Reiter, welche Liga er reitet, ob er ein junges oder ein Championatspferd unter dem Sattel hat. Bevor ich übers Mikrophon etwas rausblase, schaue ich lieber nach.
Mit zu seinen schönsten Erlebnissen gehört eine Erinnerung – erraten! – an Aachen, die an dieser Stelle einfach erzählt werden muss. Es war die Zeit als in den Aachener Soers noch um den Titel „Best of Champion“ geritten wurde. Startberechtigt in diesem Bewerb waren der amtierende Welt- und der amtierende Europameister, der aktuelle Olympiasieger und der Gewinner des Großen Preises vom Vorjahr. Geritten wurde in vier Runden mit Pferdewechsel.
„Marcus Ehning als Vorjahressieger hatte einen jüngeren Hengst dabei. Der war richtig schwierig. Die drei anderen hatten am Aussprung der zweifachen Kombination alle einen Stopp. Ehning hatte einen Nuller mit seinem Hengst und mit den anderen zwei Pferden auch. Wenn er also in der letzten Runde null ging, wäre er Sieger. Es ging um ziemlich viel Geld und eine Rolex. In der letzten Runde hat er dann vor der Zweifachen ohne Veranlassung eine Volte geritten. Das Publikum hat getobt! – Er hat später dafür einen Fairplay-Preis gewonnen – Das sind Momente, wo man hofft, dass sie nie vergehen. Das spür’ ich jetzt noch. Vom Feinsten war das.“ So wie er das erzählt prickelt die Gänsehaut noch immer. Es sind eben die Nuancen, die den Sprecher Plettenberg ausmachen – und die Liebe zum Pferdsport an sich.
„Viele Reiter, die ich kenne, hätten es genauso gemacht (wie Ehning, Anm.). Deshalb nennt man sie Chevaliers, Reiter. Es wohnt dem Pferdesport inne, dass man Partner ist. Das lernen wir von klein auf. Wir arbeiten mit Lebewesen. Von daher sind erfolgreiche Reiter gewohnt sich zurückzunehmen. Es ist eine der vielen schönen Facetten des Pferdesports mit Spass dabei zu sein. Ich begegne immer einer gewissen Fröhlichkeit. Das ist das Schöne!“
Text: Andrea von Kerssenbrock
Fotografie: Beatrice Oanes
Das Portrait entstand im Jahr 2015.
*Hans Günter Winkler, Pferdesportlegende feierte kürzlich seinen 90. Geburtstag. Hier geht es zum Beitrag aus der Aachener Zeitung.
Hans Heinrich Isenbart (1923–2011) war die Stimme des Pferdesports schlechthin. Der Fernsehmoderator (ARD, NDR) und Pferdemensch war über die Pensionierung hinweg Reitsportkommentator und Stadionsprecher. Isenbart war als Reit- und Fahrlehrer sowie als Autor tätig. Für ihn stand das Wohlergehen des Pferdes stets an erster Stelle Unvergessen bleibt sein Schlusssatz „… und vergessen Sie die Pferde nicht“, der ein Markenzeichen wurde.