So macht Vielseitigkeit Spass. Mit gutem Training sicher durchs Gelände. Ich habe mir nach längerer Pause wieder ein wenig Buschwind um die Nase wehen lassen und die Gelegenheit genutzt, mir Tipps bei Vielseitigkeitsausbilder Ferdinand Croy zu holen.
Es ist “Reiten wie früher” – unglaubliche drei Jahrzehnte liegen zwischen meiner Trainerausbildung und den Trainingstagen, die ich kürzlich im herrlichen Geländepark des Pferdezentrums Stadl-Paura absolviert habe. Wie damals leitet Ferdinand Croy das Training, wie damals vertraue ich ihm. Wie damals gibt es kein besseres Reitgefühl als mit dem besten aller Pferde über Geländehindernisse zu galoppieren.
Hier einige Profitipps aus meiner Ausbildungsserie*
- Tempo trainieren
Um eine Vielseitigkeits- oder Geländeprüfung zu reiten, braucht es ein gutes Gespür für das richtige Tempo. 400 oder 500 Meter pro Minute sind anfangs eher eine abstrakte Zahl als ein Reitgefühl. Das freie Galoppieren in etwas höherem Grundtempo als man es vom Reitplatz kennt, bietet sich zunächst auf einer großen Wiese an. Am besten misst man dazu eine Strecke aus, für kleinere Prüfungen sind es 400 Meter. Dazu setzt man Pflöcke als Markierung oder wählt einen Baum bzw. die Grenze zum Nachbarfeld als Marker. Wer eine Rennbahn auf der Anlage hat, kann hier die Minutenpunkte festlegen und so hervorragend trainieren. So lernt der Reiter nach der Uhr zu reiten. Im nächsten Schritt übt man das Temporeiten im Gelände ohne Hindernisse, danach bergauf und bergab, im verschiedenen Terrain, Wald, Wiese und auf unterschiedlichen Böden.
- Im Fluss über Hindernisse
Hat der Reiter bereits ein gutes Tempogefühl, so lässt sich dieses im nächsten Schritt über einladende Hindernisse wie Baumstämme, Bürsten oder Gatter trainieren. Dabei kann der Reiter aus dem leichten Sitz heraus über kleine Sprünge galoppieren. Wichtig ist dabei, dass der Fluss der Vorwärtsbewegung erhalten bleibt. „Das flüssige Überwinden der Hindernisse aus dem richtigen Tempo gelingt nur, wenn der Reiter aktiv über den Sprung reitet – und nicht nur bis zum Sprung“, beschreibt Ausbilder Croy einen Fehler, der gerade am Anfang oft passiert, wenn man nämlich das Pferd im letzten Moment doch noch alleine lässt. „Das kann in kleinen Prüfungen gut gehen, wo sich das Pferd mit einem Krabbler retten kann“, warnt er.
- Den leichten Sitz perfektionieren
Schönes Reiten gelingt dann, wenn man das Pferd nicht stört und gelernt hat, gut in der Bewegung mitzugehen. Wer schon über längere Strecken im leichten Sitz galoppiert ist, weiß wie anstrengend das sein kann. Die Körperhaltung im leichten Sitz beansprucht andere Muskelgruppen als herkömmliches Dressur- oder Springreiten. Dazu kommt der kurze Bügel. Wo im Parcours der Entlastungssitz reicht, muss sich beim Galoppieren über längere Strecken der Pferderücken deutlich freier bewegen können. Ferdinand Croy: „Der ausbalancierte Sitz des Reiters macht es dem Pferd leichter sich über dem Sprung wohlzufühlen. Darum ist hier der Reiter gefordert, gezielt am Sitz zu arbeiten.“
- Die Kontrolle behalten
Das wichtigste ist es, das Tempo so zu wählen, dass Pferd und Reiter sich sicher fühlen. Dabei hilft es die Strecke zu kennen und zu wissen, wo man Zeit verlieren bzw. gut machen kann. Sekunden verliert man etwa am Wasser, bei Tiefsprüngen und in engen Wendungen. Ferdinand Croy: „Man sieht in den unteren Klassen immer wieder, dass die Teilnehmer Vollgas geben. Im Gelände ist jedoch aktives Reiten gefragt, nicht tschundern.“ In der Vielseitigkeit gewinnt nicht immer wer am schnellsten reitet, sondern wer der Idealzeit am nächsten kommt. In Stilgeländeprüfungen, wo der Gesamteindruck von Pferd und Reiter bewertet werden, oder in Geländepferdeprüfungen, in denen vorrangig die Sprung- und Galoppmanier des Pferdes zählen, kann es (aus Sicherheitsgründen) sogar Strafpunkte für zu schnelles Reiten geben.
- Die Anforderungen kennen
Sich mit der Geländestrecke intensiv auseinanderzusetzen bedeutet Sicherheit. Ich muss wissen, ob ich schöne gerade Strecken zum Galoppieren habe oder einen kringeligen Kurs, wo es vielleicht gar nicht möglich ist, die vorgegebene Zeit zu reiten. Croy empfiehlt ein bewusstes Einschätzen des Tempos zu üben. Er weiß etwa, dass sich das Tempo in einem Waldstück anders anfühlt: „Wenn die Bäume so knapp vorbei zischen glaubt man oft schneller zu sein als man tatsächlich ist.“ Auch das Wegreiten von anderen Pferden sollte geübt werden. Alleine auf eine Strecke zu gehen fällt nicht jedem Pferd leicht. An Streckenabschnitten, wo das Pferd schön zum Galoppieren kommt, kann der Reiter den Galopprhythmus bewusst wahrnehmen.
Die Hindernisse sollen immer aus dem Vorwärts und möglichst gerade in der Mitte anvisiert werden. „Wenn das Pferd gerade ist“, erinnert Croy, der stets für seinen exzellenten Stil bekannt war, „kann ich als Reiter ruhig bleiben. Dann muss ich nicht eingreifen und störe das Pferd nicht über dem Sprung.“ Wenn das Pferd schief wird, zur Seite drängt oder retour kommt, muss der Reiter jedoch schnell reagieren und das Pferd auf den richtigen Kurs bringen.
- Michael Jung über die Balance von Reiter und Pferd
Ohne Balance geht im Gelände gar nichts. Pferd und Reiter müssen ausbalanciert sein. Ein Pferd über eine kilometerlange Strecke zusammenzuhalten ist nicht möglich. Das Pferd soll in der eigenen Balance galoppieren und dabei nicht in der Hand liegen. Es entscheidet selbst in welcher Halshaltung es galoppiert. Das kann bei dem einen Pferd etwas freier sein, beim anderen etwas weniger. Auch das Bergauf und Bergab soll so geschult werden, dass es ohne permanente Unterstützung des Reiters auskommt. Ein Geländepferd muss sich selbst ausbalancieren können. Das gehört zum Ausbildungsweg des Pferdes. Die eigene Balance zu trainieren ist ein wesentlicher Aspekt in der Ausbildung des Reiters. Man muss wissen, was man sich selbst zumuten kann und ein Gefühl dafür bekommen. Letztlich muss jeder Reiter selbst entscheiden, ob er das Grundtempo reiten kann. Oder ob er dann die Kontrolle verliert, das Pferd zu schnell müde wird oder die Balance nicht durchhalten kann.
Fazit: Wer sich auf eine Vielseitigkeit vorbereitet, darf auf bewusstes Tempotraining nicht verzichten. Häufig wird gerade für die Geländeprüfung viel zu sprungfixiert trainiert. Längeres und gleichmäßiges Geradeausgaloppieren gehören ebenso zur Vorbereitung wie flüssiges Bergauf- und Bergabgaloppieren. Auch das Wegreiten von anderen Pferden soll geübt werden. Gemeinsames Galoppieren fühlt sich anders an als alleine zu reiten. Pferd und Reiterin müssen im Gelände mehr als in jeder anderen Disziplin ein eingespieltes Duo sein.
Text: Andrea Kerssenbrock
Fotos: Eva Hauser (Titelbild), Ilse Kern-Maderthaner/F. Croy
*Die Serie Profitipps aus dem Jahr 2021 ist zuerst in der Pferderevue erschienen.