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Mit dem Pferd gut (Um-)Gehen

Mit dem Pferd gut (Um-)Gehen

Wer von uns würde einem Gast die Haustüre halb öffnen und erwarten, dass er den Bauch einzieht während er sich durch den Türspalt quetscht? Eben. Es ist die Art wie sorgfältig jemand mit Pferden umgeht, die ihn zum guten Pferdemenschen macht.

Es ist dem Pferd gegenüber ebenso unhöflich die Türe nur halb zu öffnen wie dem Menschen gegenüber. Trotzdem passiert es immer wieder. Dabei hat das Pferd ziemlich exponierte Hüfthöcker, das gesattelte Pferd auch noch sein Equipment, das an der Türe hängenbleiben kann. Auf Schmerz und/oder Schreck folgen Reaktionen, die vermeidbar sind. Etwa, dass ein Pferd Angst vor Aus- und Eingängen oder vor schmalen Durchgängen bekommt, es aus der Box heraus oder hinein schießt, Menschen auf die Füße tritt oder sie über den Haufen rennt. Die Achtlosigkeit, mit der manch Mensch sein Pferd hinter sich herzieht, ist zum Haare raufen.

Dabei ist es ganz einfach:

  • Die Box mit einer freundlichen Begrüßung betreten
  • Das Pferd zum Mitkommen einladen
  • Die Türe vollständig öffnen
  • Entspannt nebeneinander gehen (kann man üben)
  • Beim Betreten der Reitbahn “Tor frei” oder “Bahn frei” fragen
  • Beim Kommen und Gehen grüßen
  • Beim Verlassen der Reitbahn wieder fragen, Tore weit genug öffnen

Wer jetzt denkt, das alles sei ohnehin selbstverständlich, hat recht. Trotzdem passiert es, dass Besitzer, Personal, Praktikanten, Reiter und Mitreiterinnen ihre Pferde gedanken- oder sorglos durch Türen führen, die nicht weit genug geöffnet sind. Es kommt auch vor, dass Pferde voraus stürmen und umgekehrt Menschen Pferde hinter sich herziehen wie einen Sack Kartoffeln. Ich habe erlebt, wie eine Reiterin ihre Mitreit-Stute auf ein Paddock bringen wollte, auf dem ein Hengst stand, wie eine Kaufinteressentin das Pferd einfach aus der Box geholt hat ohne auf den Besitzer zu warten. Tag für Tag sehe ich wie Pferde ohne Handschuhe, mit unzulänglichen Schuhen oder ohne Strick geführt werden. Ich sehe, dass Pferde an Boxentüren angebunden werden anstatt am festen Teil der Box.

Und ich frage mich, wann dieser gedankenlose Umgang so alltäglich geworden ist. Liegt es an den Reitlehrern, Trainern, Besitzern? Oder an der Oberflächlichkeit ganz allgemein? Oder daran, dass Menschen davon ausgehen Missgeschicke würden den anderen passieren?

Wer mit Pferden umgeht, sollte sich die Zeit nehmen, diesen Umgang ebenso zu lernen – oder zu lehren – wie das Satteln und Reiten. Damit auch beim normalen Kontakt vom Boden aus Selbstverständlichkeit und Sicherheit gewährleistet sind.

Text: Andrea Kerssenbrock | Foto: Alex Gossett by unsplash