Dr. Gerd Heuschmann ist wieder am Forsthof. Irgendwie ist er schon Teil der Hestafólk Akademie – und das ist gut so. Von 3.–4. Dezember 2016 geht es um die Themen der Skala der Ausbildung.
Thema: Das Gerüst des Klassischen Ausbildungsweges I – Takt, Losgelassenheit, Anlehnung
Anerkannt vom Österreichischen Pferdesportverband als Fortbildung für Ausbildner.
Herrn Heuschmann kennt man, mag man, hinterfrägt man. Unbestritten ist er ein großer Pferdemann. Tierarzt und Pferdewirt. Den unbequemen Kritiker des modernen Turniersports und leidenschaftlichen Hüter der klassischen Reitlehre führen seine Vorträge um die ganze Welt. Diesmal hat er am Forsthof in Laaben, NÖ, Station gemacht. Hier werden Islandpferde ausgebildet und trainiert.
Die Pferdemenschen Michaela und Höski Adalsteinsson lassen uns an ihrer Idee der Islandpferdeakademie Hestafólk teilhaben, die längst zur Akademie aller Pferde und ihrer Menschen geworden ist. Hier erleben wir die prickelnde Welt der verschiedenen Reitweisen, der Rassenvielfalt und der Unterschiede. Das gemeinsame Ziel ist das zufriedene Pferd.
Wir wollen nicht nur reiten, sondern auch verstehen.
Gerd Heuschmann hat diese Idee von Anfang an gefallen. Er kommt bereits zum vierten Mal zu einem Hestafólk-Seminar. Dem Tierarzt aus Deutschland geht es um eine korrekte Schulung von Pferd und Reiter im klassischen Sinne. Und die dauert. Ein Reiterleben lang. Zuletzt waren wir im Dezember 2015, also vor einem Jahr dabei.
Gerne zitiert Heuschmann die HDv12 (Heeresdienstverordnung von 1912–37) und bemüht Gustav Steinbrecht (1808–1885) – „Reite dein Pferd vorwärts und richte es gerade“. Dessen Klassiker „Das Gymnasium des Pferdes“ hat bis heute nichts an Gültigkeit verloren. Dazugekommen ist jedoch die Rassenvielfalt, mit der Ausbilder es heutzutage zu tun haben. Zu den Haflingern und Warmblütern sind in den letzten 40 Jahren Iberer gekommen, Isländer, Tinker, Friesen, Quarter Horses und wie sie alle heißen. Gangpferde, Gebrauchspferde, Rassen verschiedener Kulturen und verschiedener Reitweisen. Pferde, bei denen die klassische Ausbildung nach den Lehren der Campagnereiterei (deren Ziel die Eignung zum Militär- und Gebrauchspferd war) nicht so wesentlich ist.
Die Rassenvielfalt ist uns im praktischen Teil des Lehrgangs begegnet. Vom Holsteiner über den Tinker-Vollblutmix, den Haflinger und Isländer bis zum Norweger sahen wir Pferdemodelle, die unterschiedlicher nicht sein können. Verdorben, verdrossen, verritten die einen. Unerfahren, ungeritten, ungestüm die anderen. Wir sahen auch feine Pferde. Herr Heuschmann war gefordert – und machte gute Figur dabei. Sehr einfühlsam stellte er sich auf die verschiedenen Typen ein, vermochte im Rahmen des Unterrichts das Auge des Publikums zu schulen. Zitate berühmter Reiter dürfen in seinen Ausführungen sowieso nicht fehlen.
Er veranschaulichte den Unterschied zwischen Schenkel- und Rückengänger und lehrte seine Schüler „zur Ruhe zu kommen“ und deren Pferde sich „an die Reiterhand zu kuscheln“. Wir wollen das Pferd mit unserem Schenkel umarmen und Kurt Albrecht folgen, „Am Schenkel weich machen“. Der Schenkel spielt die Hauptrolle im Zusammenspiel zwischen Reiter und Pferd. „Ohne ihn geht gar nichts!“ Das Ziel ist immer Harmonie. Und die ist eben ausschließlich über die korrekte Arbeit zu erreichen. Nein, niemals nur über Bodenarbeit, Natural Horsemanship oder dergleichen. Das ist eine gute Ergänzung zur Arbeit, es kann sie jedoch never ever ersetzen. Danke!
Zugegeben, das wollte ich schon lange einmal aus kundigem Munde hören. „Ingrid Klimkes Pferde gehen auch durch Labyrinthe und über Planen. Weil sie gut geritten sind. Und weil sie Vertrauen haben.“ Heuschmann geht noch weiter. „Es gibt keine schreckhaften Pferde. Es gibt nur verspannte Pferde“, provoziert er uns. Und ich bin geneigt ihm recht zu geben. Obwohl, das letzte Mal bin ich von einem vollkommen entspannten Pferd gefallen. In einer Nanosekunde hat es auf dem Absatz kehrt gemacht und mich quasi den Löwen zum Fraß überlassen, um das eigene Fell zu retten. Darüber diskutieren ich bestimmt nochmal mit Herrn Heuschmann.
Dieses Mal hat er uns jedenfalls überzeugt und viel mitgegeben von dem, was eigentlich schon recht alt und bewährt ist. Daran wieder einmal erinnert zu werden war eh schon überfällig.
Weitere Infos unter www.hestafolk.com.
Text: Andrea Kerssenbrock
Foto: Benny Jackson / unsplash.com
Erstveröffentlichung am 14. Dezember 2015 auf HorseFolk