Verbote sind so einfach ausgesprochen. Konstruktive Kommunikation dagegen ist anspruchsvoll. Und Lösungen bzw. die Wege dahin können recht anstrengend sein.
Die Verbote im Pferdesport werden mehr. Und ich meine hier nicht das Reiten im Wald, dessen Rechtsgrundlage das Forstgesetz 1975* darstellt. War es noch vor wenigen Jahren allenfalls das – wichtige und sinnvolle – Fütterungsverbot samt Schild an einer Koppel, so haben wir es vermehrt mit Freilauf-, Wälz-, Longier- bis hin zu Benutzungsverboten zu tun. Dass dabei das Komfortverhalten von Pferden teilweise so stark eingeschränkt ist, dass diese ihre Grundbedürfnisse nicht mehr erfüllen können, ist vielen Menschen gar nicht bewusst. Pferde, die aufgrund gut gemeinter (einschränkender) Haltung Verhaltensstörungen entwickeln, sind gar nicht so selten. Ursachen dafür können zuviel Fürsorge, falsch verstandene Pferdeliebe oder ein Stall sein, der die Anforderungen an ein natürliches Pferdeleben schlichtweg nicht erfüllt.
Alle Pferde haben die gleichen Bedürfnisse, betont die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) in einer aktuellen Kampagne. Sie brauchen Futter, Wasser, Bewegung, Sozialkontakte, Ruhemöglichkeiten, Licht, Luft und Klimareize, um körperlich und psychisch gesund zu bleiben.
Waren es früher Ständerhaltung, zu kleine Boxen, zu wenig Licht, niedrige Stallungen und wenig Auslauf, die den Bedürfnissen von Pferden nicht gerecht werden konnten, so gibt es heutzutage ganz andere Auslöser. Etwa kann die Abschirmung von Pferden in Boxen ohne Sichtkontakt zu anderen Pferden verstörend wirken. Auch der Einzelfreigang auf Kleinstkoppeln (die per se sozial unverträglich sind) und das Fehlen von freier Bewegung im Sinn von Ausbuckeln, Freilauf oder Wälzen gar nicht erlauben, ist nicht im Sinne eines gesunden Pferdes.
Wir erleben mit diesem Winter einmal mehr eine besondere Ausprägung der Umstände. Zumindest in unseren Breiten ist der Bodenfrost eine Erinnerung an weit zurückliegende Winter. Bodenfrost mit einer ordentlichen Schneedecke darauf liegt erinnerungstechnisch noch viel weiter zurück. Während etwa in den Bergen die Pferde im Schnee versinken, tun sie es bei uns im Schlamm. Folglich stellen wir sie auf winzige befestigte Paddocks, Laufbänder oder in Schrittmaschinen.
Apropos Schrittmaschine: Ich erinnere mich an den Präsidenten des mongolischen Pferdesportverbandes, der bei seinem Besuch in Österreich nicht glauben konnte, dass hierzulande Pferde in (Schritt-)Maschinen gestellt werden, damit sie sich bewegen. Der Einladung in die mongolische Steppe zu reisen konnte ich aus bekannten Gründen bis jetzt nicht nachkommen. Das neue Wort für Verbot heißt “Corona”. Harald Martenstein hat es letzte Woche unter dem Titel “Der gefährliche Reiz des Verbietens” im ZEIT Magazin auf den Punkt gebracht. Mit Verboten entzieht man sich auch im Pferdestall der Verantwortung. Jeder, der sich nicht daran hält, ist selber schuld, wenn etwas passiert.
Das ist die einfachste Form der Kommunikation (eigentlich ist es nicht einmal Kommunikation). Denn wenn ich verbiete, dass ein Pferd freiläuft, sich wälzt oder mal einen Bocksprung an der Longe macht, entstehen keine Löcher im Sand und müssen keine Unebenheiten im Boden saniert werden. Wenn ich einen Reitplatz für alle Reiterinnen sperre, weil einige die Hinterlassenschaften ihrer Pferde nicht abmisten, habe ich ein finales Zeichen gesetzt.
Klar braucht es Regeln. Besonders da, wo viele Menschen zusammenkommen. Im Reitstall geht es aber vor allem um Pferde. Und die haben Bedürfnisse. Wie es ist, wenn Grundrechte auf ein artgemäßes Leben eingeschränkt werden, erleben wir ja gerade am eigenen Leib. Reisen, Essen gehen, Sozialkontakte, normaler Unterricht, selbst die notwendige Versorgung im psychosozialen Bereich sind nicht oder nur eingeschränkt möglich. Als Pferdebesitzer dürfen wir zumindest unser Pferd versorgen und bewegen.
Das Pferd aber, das deswegen alleine auf der Koppel steht, weil die Fläche zu klein für eine Gruppe oder einen Kumpel ist, muss sein Komfortverhalten den unzulänglichen Rahmenbedingung anpassen. Es hat keinerlei Möglichkeit zum Mähnekraulen oder für andere soziale Interaktion. Ich kenne Pferde, die gar nicht mehr wissen wie es sich anfühlt frei über eine Wiese zu galoppieren und dabei den Kopf so hoch zu tragen wie sie möchten. Ein Pferd, das sich nie im Sand wälzen kann, nimmt sogar ein Schlammbad in Kauf. Die wenigsten Pferde würden Schlamm wählen, wenn sie Sand bekommen können. Und den Satz “Nur ein schmutziges Pferd ist ein glückliches Pferd” kann ich nicht mehr hören.
Ich habe meinen Pferden jedenfalls versprochen, dass sie nicht mehr im Sumpf herkömmlicher “Gatschkoppeln” versinken werden und dass sie ihre Freizeit (also die Zeit zwischen Reiten und Box) mit Licht tanken und Mähne kraulen verbringen dürfen. Sportpferde brauchen das genauso wie Freizeit- und pensionierte Pferde. Es gibt für jedes Pferd fast immer eine Lösung. Man muss nur danach suchen.