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Die Qualität von Galopp und Wechsel

Die Qualität von Galopp und Wechsel

Der Fliegende Galoppwechsel ist ein Produkt der guten Galoppade.
Wolfgang Hellmayr

Ausbildungsprofis und ihre Gedanken zum Fliegenden Galoppwechsel.

„Das Wichtigste für den Wechsel ist die Balance“
Alois Goldberger, Dressurausbildner und Richter

Im Dressursport gibt es viele Pferde, die den Wechsel schon „angezüchtet“ haben. Das Wichtigste für den Wechsel ist die Balance, egal wie alt die Pferde sind. Außerdem müssen sie sich auf beiden Händen in Stellung und Konterstellung galoppieren lassen. Dazu braucht es absoluten Schenkelgehorsam, den man am besten durch Schenkelweichen erreicht. Ist das Pferd seitwärts am Bein durchlässig und geht es ohne zu denken in Stellung und Konterstellung, dann ergibt sich der Wechsel von selbst. Auf welcher Linie der Wechsel geritten wird, ist dabei nicht so wichtig – es gibt ja unzählige Möglichkeiten. Wichtig ist natürlich, dass das Pferd auf die Schenkelhilfe wartet und im Tempo bleibt. Der Wechsel ist einfach, wenn man ihn durchschaut hat und die Voraussetzungen dafür schafft. Für Serienwechsel wartet man nicht, bis ein einzelner fliegender Wechsel perfekt am Punkt ist. Man baut sie ein, wenn es sich ergibt. Wechsel reiten lernt man nicht durch Wechsel reiten, sondern durch die gute Vorbereitung.

„Kleines Abenteuer“
Manfred Rust, Vielseitigkeitsreiter und Reitlehrer

„In der Vielseitigkeitsdressur werden erst ab ***-Prüfungen Fliegende Galoppwechsel verlangt. In der Viersternprüfung sind es dann vier Wechsel. Da sie keinen Koeffizienten haben, sind sie nur ein kleiner Teil der Prüfung, und es ist nicht so lebenswichtig, sie perfekt hinzubekommen. Unsere Dressur ist außerdem nicht so versammelt und wird schwungvoller geritten als die klassische. Wir bauen die Wechsel immer wieder mal in die Arbeit ein und versuchen schon beim Springen sie ordentlich zu machen. Dann geht es später leichter. Denn man darf nicht vergessen, dass es ein weiter Weg für ein Reiter-Pferd-Paar ist, bis zur Drei- und Viersternprüfungen zu kommen. Man wechselt dann ja nicht das Pferd, nur weil es bei den Wechseln länger braucht. Wichtig ist, dass sie schön durchgesprungen werden. Da darf die Krupp schon mal hoch werden oder das Pferd ein bisschen schief. Auf jeden Fall sorgt der Wechsel immer für Kitzel im Viereck. Er ist unser kleines Dressurabenteuer.“

„Kein Thema“
Michael Rösch, Reitlehrer und Turnierveranstalter

„Aus dem Bauch heraus kann ich sagen, dass der Fliegende Galoppwechsel einfach und unkompliziert sein soll. Da habe ich mit den Springpferden natürlich einen anderen Zugang. Aber die Erfahrung zeigt, dass für ein normal gearbeitetes Pferd, das gesetzt galoppieren kann und nicht völlig untalentiert ist, der Wechsel eigentlich kein Thema ist. Beim Springen ergibt er sich oft von selber – und wenn nicht, dann gibt es eigene Übungen für die Landung. Dann stellt sich das Thema gar nicht. Wenn Schwierigkeiten auftauchen, arbeiten wir wie in der Dressur, etwa mit Seitengängen als Vorbereitung oder mit Einfachen Wechseln.

Was ich vollkommen ablehne, ist das zwanghafte Üben der Wechsel bei drei- und vierjährigen Pferden, die noch nicht einmal gesetzt galoppieren können. Und schlichtweg falsch ist es, über eine Sprungstange oder ein Cavaletti Fliegende Wechsel zu üben, da die Fußfolge eine andere ist, sobald das Pferd sprungmäßig abspringt.

In guter Erinnerung habe ich auch noch die Methode von Alfred Knopfhart, der an der Longe vom Konter- zum Handgalopp wechseln ließ. Das setzt aber ebenfalls ein gutes Maß an Versammlung und Rittigkeit voraus. Aber eigentlich ist der Wechsel beim Springreiten kein Thema.“

„Im Gleichgewicht und ohne Stress“
Wolfgang Eder, Erster Oberbereiter der Spanischen Hofreitschule

Der Sprungwechsel wird bei uns nach der Campagnereitschule geritten, wenn das Pferd bereits LM-fertig ausgebildet ist und sämtliche Grundbegriffe der Ausbildung beherrscht. Und es muss im Gleichgewicht sein, das ist aber ohnedies klar. Als Vorübungen reiten wir Seitengänge und Pirouetten. Manchmal ist es etwas langwieriger, einem Pferd die Hilfen zu vermitteln. Trotzdem darf kein Stress aufkommen, das ist besonders wichtig. Wir reiten die Sprungwechsel anfangs eher auf geraden Linien, da das Pferd dann am besten im Gleichgewicht ist und nicht ,herumgeworfen’ wird. Natürlich gibt es mehrere Wege nach Rom, hier gilt es flexibel zu sein und Gespür fürs Tier zu haben. Da ist beim Reiter Empfinden gefragt. Unser Vorteil an der Hofreitschule ist, dass wir Bereiter uns immer gegenseitig kontrollieren. Das macht schon einen großen Unterschied zu anderen Ausbildern. Einen Sprungwechsel zu reiten ist nicht das Problem, das lernen alle unsere Hengste. Auch die Serienwechsel sind es nicht, wichtig ist hier das Geraderichten. Nur die Einerwechsel spielen in einer eigenen Liga. Da trennt sich dann die Spreu vom Weizen.“

„Das Geschick des Reiters“
Andreas Pallisch, Reitlehrer, Züchter, Ausbilder

„Ernsthaft arbeite ich frühestens mit den Fünf- bis Sechsjährigen am Wechsel, vorausgesetzt die Versammlung passt. Dazu nutze ich die Wintersaison. Manchmal probier ich mit den Vierjährigen den einen oder anderen Wechsel auf der Diagonalen und schau’ wie sie sich anstellen. Dann wird aber nicht korrigiert, wenn’s nicht klappt. Meine Pferde waren eher unkompliziert. Bei Ahorn waren die Wechsel immer gut, und Belmondo war ein echter Wechselkönig. Selbst die Serienwechsel waren kein Thema. Er hat auf Anhieb sechs Einser gemacht nachdem die Zweier geklappt haben.

Oft liegt es am Geschick des Reiters, ob die Wechsel klappen. Ganz schlecht ist es, wenn die Pferde erst einmal verdorben sind. Da hatte ich schon wilde Geschichten mit Abhauen und gegen den Schenkel schlagen. Was gut funktioniert: Wenn ich am zweiten Hufschlag galoppiere und an der langen Seite zum Kontergalopp wechsle. Die Wand bremst ein wenig und ich habe Zeit, den Wechsel noch ein-, zweimal zu probieren, wenn er nicht auf Anhieb klappt. Das Pferd soll stets am treibenden Schenkel aufmerksam sein. Und der Reiter soll ehrlich arbeiten, damit das Reiten spielerisch bleibt.“

„Gute Situationen nicht vorbeiziehen lassen“
Wolfgang Hellmayr, Ausbildungsprofi Zirkuslektionen und Freiheitsdressur

„Der Fliegende Galoppwechsel ist ein Produkt der guten Galoppade. Bei uns in der Schau ist er nicht so wichtig wie beim Dressurreiter, weil wir verschiedene Elemente im Programm haben, vor allem Zirkuslektionen. Beim Friesen ist der Wechsel manchmal noch schwieriger, weil die Galoppade so aufwändig ist. Wir arbeiten dann am Galopp solange bis der gut genug ist. Ich persönlich übe die Wechsel gerne auf der Tour vom Konter- zum Handgalopp. Da nehme ich die Kruppe schon ein wenig nach innen. Auch Renvers und Schulterherein sind eine gute Vorbereitung, und die Einfachen Wechsel.

Grundsätzlich bin ich ganz entspannt, weil ich ja keine Prüfung reite. Ich sehe mich primär als Freizeitreiter, der schön reiten will. Darum setze ich mich auch mit verschiedenen Methoden auseinander und beobachte viel, wenn ich unterwegs bin. Aber die Skala der Ausbildung darf man nicht umgehen. Manchmal muss man zwar eine Schlangenlinie einlegen, um zum Ziel zu kommen, aber das hängt ganz individuell vom Pferd ab. Vom Talent des Tieres und seinem Charakter.

Momentan habe ich einen jungen Knabstrupper, der springt die Wechsel ganz easy. Solche guten Situationen lasse ich nicht vorbeiziehen, weil spielerisches Lernen dem Pferd Spass macht. Das erlaube ich so bis sie sechs sind, von sechs bis acht wird es ein bisschen ernst und ab acht ernst. Wenn die Ausbildung bis dahin passt, sind sie die nächsten Jahre fit. Der Wechsel selbst ist immer das Produkt der Arbeit, die man davor macht.“


Die Gespräche mit den Ausbildern führte Andrea Kerssenbrock
Erstveröffentlichung in der Pferderevue 09/2014, nun auch als epaper

Das Foto zeigt Laurenti unter Isabell Werth. © Andrea Kerssenbrock

 

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