Höski Adalsteinsson ist Bereiter, Islandpferdereitinstruktor, Richter und Weltmeister, vor allen Dingen aber ist er Pferdemensch.
Höski Adalsteinsson gehört eindeutig zu den charismatischen Pferdemenschen des Landes. Er hat einen Blick für Pferde und eine große Liebe zu ihnen. Höskis Ziel ist es, das Verständnis zwischen Mensch und Pferd zu wecken. Ganz im Sinne seines großen Bruders Reynir Adalsteinsson, der ein „Wahnsinnspferdemensch“ und sein wichtigster Lehrmeister war, macht Höski die Ausbildung von Reiter und Pferd zu einer Herzensangelegenheit.
Im Gespräch mit dem 1965 geborenen Isländer, der seit 1987 fix in Österreich lebt, wird schnell klar, dass dieser Mann eine Mission hat. Während er erzählt, suchen die markanten blauen Augen stets den direkten Kontakt zum Gegenüber. Mit großer Hingabe erklärt er seine Initiative Hestafólk. Sie ist seine Mission, ein Lebenswerk, wenn man so will.
Hestafólk könnte man mit „immer weiter Lernen“ übersetzen. Hestafólk nennt sich die internationale Pferdeakademie, die Höski und Michaela Adalsteinsson gegründet haben. Die Akademie bringt Pferdemenschen aller Disziplinen zusammen. Innerhalb von Hestafólk geht es um die Leidenschaft zum Pferd. Darum, durch wertschätzenden Umgang und korrekte Ausbildung die Qualität der Pferd-Mensch-Beziehung zu verbessern.
Höski Adalsteinsson brennt für Hestafólk! Er ist voller Begeisterung, er hat sich akribisch vorbereitet. Mit der intensiven Auseinandersetzung der klassischen Reitweise, darunter zahlreichen Lehrgangsteilnahmen am Heldenberg, hat sich der Kreis geschlossen. Denn der Meister im Islandsattel hat in den vergangenen Jahrzehnten jede Gelegenheit genutzt, um sich über den Tellerrand seiner Spezialdisziplin hinweg fortzubilden. Vieles hat er gesehen und beobachtet, einiges ausprobiert und manches selektiert.
„Mit jedem Pferd soweit zu kommen, dass es glücklicher wird mit Reiter“. Dieser Gedanke steht im Vordergrund. Höski erinnert sich an seinen Bruder Reynir, der sein Vorbild und Mentor war. 20 Jahre älter und leider schon verstorben hat der große Bruder ihn inspiriert und ermuntert. In Island haben sie zusammen viel ausprobiert, erinnert sich Höski an die gemeinsame Zeit.
Sie haben die Pferde studiert, wenn sie noch wild waren in den Herden. Und später, wenn sie zusammengetrieben in den Pferchen waren, dann haben sie sich einen ausgesucht – „Den Fuchs da!“ – und haben ihn sich rausgepickt. Damals war es noch ein Pferd ohne Namen, dem man einen Sattel aufgelegt hat und losgeritten ist. Natürlich haben sie auch gebuckelt, manche sind sogar heimgelaufen. Aber Höski und Reynir haben sie unverdrossen gezähmt und ausgebildet. „Ach, was war die erste Beizäumung für ein Erlebnis!“
Die isländische Kultur war eine andere und ebenso die Anforderung. Doch der Pferdeverstand der Brüder ist gewachsen. Man hat Handpferde abwechselnd rechts und links geführt, um sie zu beiden Seiten zu stellen. Und man hat sie früh geradegerichtet, erinnert sich Höski an die Jahre in Island. Reynir war einer der ersten, der Dressur- und Gangreiten vereinbaren wollte. Er sprach von Leichtigkeit und Haltung und von Geschwindigkeit. Dafür wurde er kritisiert, bisweilen belächelt. Für Höski ist der Bruder ein Pionier.
Wenn er es sich aussuchen kann, mag Höski die jungen Pferde „so roh wie möglich“. Am liebsten von der Insel, wo das Herdenverhalten ein „zutiefst gewachsenes ist“, mit einem – wie er meint – besseren sozialen Verständnis als auf dem Kontinent. Die ganz Unverdorbenen seien die besten, „wenn ich nicht anfangen muss zu korrigieren“, so Höski.
Sie hätten auch die alten Reitmeister studiert, sein Bruder Reynir und er. Nuno Oliveira etwa, von dem Höski sagt, er könne nicht so gut erklären. Dafür schätze er „die Inspiration aus der Spanischen“. Der Aufbau der Ausbildung, die Gymnstizierung, das beeindruckt ihn sehr. Auch die Zeit, die man den Remonten lässt. „Es ergibt Sinn und Klarheit“, befindet der Hüne aus Island.
In der Tat wirkt Höski neben seinen Islandpferden gar groß. Doch später auf der Passbahn steigt er aufs Pferd, und siehe da – Höski ist zwar groß, dennoch bringt er das Pferd zum Strahlen. Reitet den Dunkelbraunen so, dass der Isländer unter dem Sattel voll präsent bleibt, während er, der Reiter, in den Hintergrund rückt.
„Das Schöne am Islandpferd ist sein Wesen“, befindet der Ausbildner. Mit regelmäßiger gymnastischer Arbeit im Viereck und den eher seltenen Trainings auf der Ovalbahn hält Höski Adalsteinsson seine Pferde fit. Das hat er von der klassischen Ausbildung übernommen und prompt den Wert für das Islandpferd erkannt. Auch wenn der kurze Hals hoch getragen wird, sei die dressurmäßige Schulung eine ideale Ergänzung.
Der Forsthof
Zwischen 60 und 80 Islandpferde stehen auf den luftigen Weiden des Forsthofs, den Edith Uferbach seinerzeit in den Achtzigern auf- und ausgebaut hat. Sie hatte eine Nase fürs Geschäft und den „Braten früh gerochen“, beschreibt Höski Adalsteinsson die Schwiegermutter und ihre Bemühungen das Islandpferd in Österreich populär zu machen. Das ist ihr fraglos gelungen.
Seit nunmehr 1987 betreiben Michaela und Höski Adalsteinsson den Hof auf gut 500 Meter Seehöhe am Rande des Biosphärenpark Wienerwald. Die Morgenluft ist hier etwas herber als unten im Tal. Rege Betriebsamkeit im nahezu leeren Stall zeugt von einem durchstrukturierten Tagesablauf. Ein paar Pferde sind drinnen geblieben, einige gehen nachher noch zum Schmied, die anderen zum Reitunterricht.
Höski mag Menschen, die etwas mit vollem Herzen machen und nicht Dampfplaudern. Zu denen gehört auch seine Frau Michaela. Mit ihr hat er seit über 20 Jahren eine kongeniale Partnerin an seiner Seite. Der Forsthof ist ihr gemeinsames Domizil, das Pferdesportzentrum wird von Michaela gemanagt. Neben der Administration gibt die Mutter von vier Kindern auch Unterricht und widmet sich mit großer Hingabe den reit- und heilpädagogischen Angeboten am Hof. Die zwei Töchter und zwei Söhne sind im Alter von elf bis 25 Jahren. Nur Signy, die Älteste, studiert in Wien. Die Söhne Steini (*1991) und Gudni (*1998) arbeiten am Hof, der ältere fix und der jüngere nur in den Ferien. Nesthäkchen Soley ist 13 Jahre alt und packt jetzt in der Ferienzeit ebenfalls kräftig an.
Michaela hat wie Höski den Islandpferdereitinstruktor und ist auch Behindertenreitlehrwart. In der Bahn reitet nun Silvia, Michaela spannt einen souveränen Bogen von der Einzel- zur Therapiestunde. Thomas ist als nächster an der Reihe. Der Teenager mit Downsyndrom überprüft vor der Reitstunde gewissenhaft den Sitz seines Helms, denn „im Galopp darf der nicht verrutschen“.
Höski hat Paula gesattelt, eine talentierte Rappstute, die nun auch mehr Dressurarbeit genießt als früher – was ihr sichtlich gut tut. Denn sie schwingt schön über den Rücken und geht losgelassen in Vorwärts-Abwärts-Haltung. Diese muss der 23-jährige Specki erst lernen, ebenso dass er mit seinen Hinterbeinen besser unter den Schwerpunkt tritt. Während Besitzerin Uschi den Fuchs vorbereitet, bringt Höski die Stute Paula hinaus auf die Weide. Das macht ihm ebenso Spass wie die eigentliche Arbeit. Er nutzt die Gelegenheit und wirft einen Kontrollblick auf die Herde.
Specki arbeitet mit Höski an der Doppellonge. „Kauen heißt zuhören“, freut er sich über die Reaktion des Wallachs. Besitzerin Uschi hört, wann sie konsequent sein muss. „Möchtest du Mitleid?“ fragt Höski sie und nimmt die Antwort vorweg: „Siehst du, auch dem Pferd geht es besser, wenn du es lobst und stolz und zufrieden bist.“ Mitleid sei keine Kategorie, die zufrieden macht, ist der Pferdemann überzeugt. Fühlen und Hinhören, das sei viel klüger – denn: „Oft macht das Pferd Angebote, aber der Reiter merkt es nicht.“
Jeder hat seinen eigenen individuellen Zugang, jeder einen eigenen Draht zum Pferd, jeder fühlt anders. Höski schätzt die Fragen von Freizeitreitern – „Oft stellen sie die besten Fragen!“ – und gibt gleich ein Beispiel: „Heute habe ich das Gefühl nicht dafür, ob ich richtig trabe“, meinte kürzlich ein Schüler zu ihm. Die Ehrlichkeit hat dem Ausbildner gefallen. Niemals würde er eine Frage geringschätzen. Dazu braucht es das Bewußtsein um das eigene Können: „Es ist wichtig zu können, was man sagt.“
Turnierreiten sei für ihn, den Weltmeister, keine Kategorie. Das ergibt sich eben so, aus der Arbeit und dem Ehrgeiz. Und natürlich ist es schön, sich mit einem guten Pferd zu zeigen. Das ist auch gut so. „Aber was ist das, ein Turnierreiter? Kann er mehr? Versteht er sein Pferd besser?“ fragt Höski. Klar wolle sich kein Reiter „entblößen“und sich bestmöglich präsentieren. Manch einer wolle einfach zu schnell zum Ziel. „Doch kleine Fortschritte bei Pferden sind immer groß.“
Für Michaela Adalsteinsson sind es ganz besonders die großen und kleinen Bedürfnisse ihrer Klienten, die zunehmend mehr Raum in ihrem Alltag einnehmen. Sie hat Zusatzausbildungen für integrative Reit- und Voltigierpädagogik absolviert und würde heute wohl Sonder- und Heilpädagogik studieren statt Germanistik, gibt sie unumwunden zu. Doch der Betrieb lässt ohnedies keinen Spielraum für Träume. Nun in den Ferien stehen auch Kinderlager an, die Michis ohnedies schon vollen Tage noch voller machen.
Michaela und Höski Adalsteinssons Mission ist das Pferd, das im Mittelpunkt steht. Das gemeinsame Interesse um das Wohlbefinden des Pferdes, das Reiter aller Sparten eint. Nicht die Unterschiede zwischen Ideologien zu suchen, sondern die Nähe der verschiedenen Reitweisen zu erkennen, das mache Spass. Der Dialog auf Augenhöhe ist ein großes Ziel.
„Im Grunde suchen wir immer dasselbe“, führt Höski zum Abschied aus: „Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand die Hände (beim Reiten, Anm.) voll haben will.“ Wieder einer dieser Sätze, die der Weltmeister so klar und selbstverständlich sagt. Weil es eben so ist. Und weil er es genauso meint. Höski findet die perfekten Worte. Er ist eindeutig ein Philosoph unter Pferdemenschen.
Infos: www.islandpferde-forsthof.com und www.hestafolk.com
Text & Foto: Andrea von Kerssenbrock
Als Homestory erstmals erschienen in Pferderevue 09/14