Wer Bergauf reitet, muss auch wieder hinunter. Warum ich es trotzdem liebe und was gemeinsames Abschnauben damit zu tun hat, erfahren Sie hier.
Ich schwöre auf den Wert des Geländereitens. Am meisten holt man auf unterschiedlichen Böden und im kupierten, also hügeligen oder sanft welligen, Gelände heraus. Für den Aufbau von Kondition und Muskulatur gibt es nichts Besseres. Das gilt auch für den Erhalt eines gesunden Bewegungsapparates. Durch den Wechsel der Bodenbeschaffenheit erlebt das Pferd zahlreiche taktile Reize. Es lernt, sich auf weichem Boden ebenso auszubalancieren wie auf festem. Waldböden mit Wurzeln sind für ungeübte Pferde eine Herausforderung, mit der sie gut umzugehen lernen je öfter sie damit konfrontiert sind. Überhaupt, ich liebe Waldboden! Es ist so ein schönes Gefühl über festgestampfte Waldwege zu laufen oder zu reiten. Selbst beim normalen Gehen – meistens ist der Hund dabei – ist es superangenehm den federnden Boden unter den Fußsohlen zu spüren. Wenn sich das für Pferdehufe genauso gut anfühlt, dann kann es nur gesund sein.
Was das Tempo eines Geländeritts betrifft: Mit 50plus hat man Sturm und Drang meist hinter sich. Das heißt nicht, dass ich nicht einen flotten Galopp liebe. Aber ich kann auch dem gemütlichen Spazierenreiten etwas abgewinnen. Und wenn es wie bei uns nach einer verletzungsbedingten Pause dem Wiederaufbau dient, dann finde ich das moderate Reiten im fleißigen Schritt extrem nützlich und abwechslungsreich. Natürlich funktioniert das nur mit einem ausgeglichenen Pferd. Im Idealfall schreitet es gut aus und arbeitet so seinen ganzen Körper. Es betrachtet aufmerksam die Landschaft, hat ein Ohr bei seiner Reiterin und vielleicht noch einen Kumpel an seiner Seite, wozu ich ohnehin immer rate.
Mein Pferdebub erlebt seine größten Abenteuer immer dann, wenn es runter geht. Über längere Strecken im unbefestigten Gelände bergab zu gehen setzt seinem Nervenkostüm richtiggehend zu. Da kann er echt zur Kanone werden. Was ihn verunsichert – kein fester Boden unter den Hufen –, das lehnt er ab. Und das zeigt er auch. Es braucht schon etwas Mumm da oben im Sattel und reiterliches Geschick. Denn das aufgebrachte Ross will die Talfahrt möglichst schnell hinter sich bringen. Am liebsten mit einem einzigen Sprung.
Kontrolliert eine längere Böschung hinunter zu reiten, kann also durchaus fordernd werden. Dazu schnalle ich die Bügel schön kurz, stelle mich fest hinein, mache die Knie zu und reite kleine Schritte. So behalte ich die Kontrolle, meistens jedenfalls. Und wenn nicht – siehe kurze Bügel und Knie zu einen Satz vorher. Dabei rede und lobe ich und klopfe auch mal den Hals, wenn ich eine Hand frei habe. Das kurze Prusten ist eher ein Zeichen von Stress. Ich nehme es ernst und versuche die Spannung rauszunehmen. Das Ziel ist ein ehrliches Abschnauben und ich bin mir nicht zu blöde, es ihm vorzumachen. Was ich selbst vor zwanzig Jahren noch milde belächelt habe, funktioniert prima.
TIPP: Abschnauben wird von mir immer mit einem Kraulen des Mähnenkamms belohnt. Und ich versuche es mitzumachen, so dass es ein gemeinsames Abschnauben von Pferd und Reiterin wird. Hilft bei jeder Art von Anspannung, Ehrenwort!
Nach wochenlanger Schrittpause auf geraden Flächen habe ich das Rauf-und-Runter-Reiten auf einem harmlosen Hügel begonnen. Zuerst im Schritt, leicht an den Zügel gestellt, später am langen Zügel. Bis es so selbstverständlich wurde wie eine Runde ums Viereck zu reiten. Danach habe ich Haltparaden an verschiedenen Punkten eingebaut, jedoch niemals beim Bergauf. Nach kurzer Zeit sind wir gemütlich über kleine Erhebungen getrabt. Den erheblichen Konditionsverlust nach einer Pause unterschätzt man recht leicht. Bergauf funktioniert aber nur dann gut, wenn das Pferd genügend Kraft hat und nicht nach wenigen Metern aus der Puste kommt. Und Bergab funktioniert nur dann, wenn die Hinterhand in der Lage ist Last aufzunehmen. Dann kann das Pferd ausgleichen, wenn es mal aus der Balance gerät, weil es etwa wegrutscht.
Bergab sagt sich so leicht. Irgendwann wird es das auch. Man muss nur rausgehen in die Natur und sein Pferd spüren lassen, was das Gelände anbietet. Davon profitiert garantiert jeder Muskel. Und die Seele nascht gleich mit. Der Lohn ist das zufriedene Pferd. Das Abschnauben die Bestätigung.