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Bergab sagt sich so leicht

Bergab sagt sich so leicht

Wer Bergauf reitet, muss auch wieder hinunter. Wer das Gelände klug in seinen Trainingsplan einbaut, merkt bald wie der ganze Bewegungsapparat davon profitiert.

Wer mich kennt, weiß, dass ich vom Wert des Geländereitens absolut überzeugt bin. Es gibt nichts Besseres für den Aufbau von Kondition und Muskulatur. Das gilt auch für den Erhalt eines gesunden Bewegungsapparates. Am meisten holt man auf unterschiedlichen Böden und im kupierten, also hügeligen oder sanft welligen Gelände heraus. Durch den Wechsel der Bodenbeschaffenheit erlebt das Pferd zahlreiche taktile Reize. Es lernt, sich auf weichem Boden ebenso auszubalancieren wie auf festem. Waldböden mit Wurzeln sind für ungeübte Pferde eine Herausforderung, je öfter sie damit konfrontiert sind, desto weniger stolpern sie. Überhaupt, ich liebe Waldboden! Es ist so ein schönes Gefühl über festgestampfte oder raschelnde Waldwege zu reiten. Selbst beim Laufen oder Gehen ist es superangenehm, den federnden Boden unter den Fußsohlen zu spüren. Wenn sich das für Pferdehufe genauso gut anfühlt, dann kann es nur gesund sein.

Was das Tempo eines Geländeritts betrifft: Ich liebe flotten Galopp. Aber ich kann auch dem gemütlichen Spazierenreiten ganz viel abgewinnen. Reiten im fleißigen Schritt ist eine super Ergänzung zum Training. Es ist der beste Weg zu einem ausgeglichenen Pferd, gut für den Körper und auch gut für den Kopf.

Rauf und runter: Nicht jedes Pferd ist eine Gämse und so kann das Reiten auf steilen Wegen ein ziemliches Abenteuer werden. Eins meiner Pferde konnte über längere Strecken im unbefestigten Gelände ziemlich unwirsch werden, wenn es bergab ging. Da konnte es richtiggehend zur Kanone werden. Der Grund dafür war Unsicherheit, die das Pferd recht ungeduldig werden ließ. Es brauchte schon etwas Mumm da oben im Sattel und reiterliches Geschick. Denn das aufgebrachte Ross wollte die Talfahrt stets möglichst schnell hinter sich bringen. Am liebsten mit einem einzigen Sprung.

Kontrolliert eine längere Böschung hinunter zu reiten, kann also durchaus fordernd werden. Ich schnalle dazu die Bügel schön kurz, stelle mich fest hinein, mache die Knie zu und reite kleine Schritte. So behalte ich die Kontrolle, meistens jedenfalls. Und wenn nicht, sind kurze Bügel eine gute Stütze. Dabei rede und lobe ich und klopfe auch mal den Hals. Kurzes Prusten ist in dieser Situation eher ein Zeichen von Stress. Ich nehme das stets ernst und versuche die Spannung rauszunehmen. Das Ziel ist ein ehrliches Abschnauben, eventuell funktioniert es sogar gemeinsam.

TIPP: Abschnauben wird von mir immer mit einem Kraulen des Mähnenkamms belohnt. Und ich versuche es mitzumachen, so dass es ein gemeinsames Abschnauben von Pferd und Reiterin wird. Hilft bei jeder Art von Anspannung, Ehrenwort!

Am besten beginnt man das Rauf-und-Runter-Reiten auf einem harmlosen Hügel. Zuerst im Schritt, leicht an den Zügel gestellt, später am langen Zügel. Bis es so selbstverständlich wird, wie eine Runde ums Viereck zu reiten. Eine kleine Übung sind auch Haltparaden, die man an verschiedenen Punkten einbauen kann. Mit Trabreprisen über kleine Erhebungen fördert man die Balance. Hügeliges Gelände fördert zudem die Kondition – das Bergauf wie das Bergab kräftigt die Hinterhand ganz von allein.

Bergab sagt sich so leicht. Irgendwann wird es das auch. Man muss nur rausgehen in die Natur und sein Pferd spüren lassen, was das Gelände anbietet. Davon profitiert garantiert jeder Muskel. Und die Seele nascht gleich mit. Der Lohn ist ein ausgeglichenes, zufriedenes Pferd. Das Abschnauben die Bestätigung dafür.


Text und Fotos: © Andrea Kerssenbrock