Bei Micheal Jung gehen alle Pferde gerne ins Wasser – egal, ob Vielseitigkeits-, Spring- oder Dressurpferde. Im Rahmen einer Ausbildungsserie* habe ich mich mit dem Multichampion unterhalten.
„Die Pferde bei mir im Stall nehmen Wasser alle gut an. Buschpferde sowieso, aber auch Springpferde und auch Dressurpferde. Wir haben kein einziges Pferd im Stall, das nicht ins Wasser geht.“ Was so selbstverständlich klingt, hat mit dem unglaublich entspannten Zugang des Vielseitigkeitschampions zu tun, der es Pferden stets so einfach und damit so einladend wie möglich macht.
„Umso größer das Wasser und umso heller, umso einfacher ist es für die Pferde“, weiß der Pferdemann und verweist auf die grundsätzlich positive Erfahrung, die ein Pferd mit Wasser machen soll. Das beginnt bei ihm schon mit dem ersten Abspritzen: „Es ist ganz wichtig, dass man die Pferde vorsichtig abspritzt, wenn man sie das erste Mal wäscht.“ Scheu vor dem Wasser kennen seine Pferde nicht. „Wichtig ist, dass die Pferde Vertrauen zum Reiter haben und auch zu dem Hindernis, zum Wasser. Das ist meistens kein Problem mit einem erfahrenen Pferd an der Seite“, so der Reitmeister.
Wiederholungen und Begleitung
Wiederholungen sind das A und O der Ausbildung. Sie geben Sicherheit. Außerdem rät Michael Jung, einem jungen oder unerfahrenen Pferd ein erfahrenes zur Seite zu stellen. Das vermittelt Vertrauen. Ohne Stress immer wieder rein und raus zu reiten wird so zu einer fröhlichen Routine, die Pferd und Reiter:in besonders in der warmen Jahreszeit erfrischt: „Die Pferde plantschen im Wasser herrum. Sie nehmen den Kopf runter, tauchen auch mal mit der Nase ein. Trinken. Was eben Spaß macht.“
“Je nach Training und Möglichkeit wiederhole ich das am nächsten Tag oder nächste Woche nochmal. Ich reite dann schon mal vor dem Begleitpferd ins Wasser und nicht mehr hinterher. Oder auch mal ohne. Das Begleitpferd soll jedenfalls parat stehen, wenn doch noch ein wenig Skepsis aufkommt. Manche Pferde beginnen zu scharren. Das kann man dann nicht so lange erlauben, weil es dem Boden zusetzt und der Untergrund natürlich keine Löcher kriegen soll.“
Je offener, heller und freundlicher ein Gewässer ist, desto einladender ist es auch. Klappt das Durchreiten vertrauter Gewässer, kann man auch verschiedene fremde Wassertypen in Angriff nehmen. Der Untergrund muss natürlich geeignet, also fest genug sein, damit die Pferde den Halt nicht verlieren oder aus der Balance geraten. Unbekannte oder trübe Gewässer stellen ein Risiko dar, dem man sich und sein Pferd nicht aussetzen sollte.
Erst wenn das Pferd im Schritt sicher das Wasser durchquert, sollte der/die Reiter:in es mit einem Trab und Galopp probieren. Meistens haben die Pferde Spaß dabei. Im Sommer ist ein Ritt durchs Wasser besonders erfrischend.
Pfützen, so sagen viele Buschprofis, müssen nicht sein. Es reicht, wenn ein Vielseitigkeitspferd ohne Probleme Wasserhindernisse meistert. Michael Jung bestätigt: „Ich gehe da auch sehr dem Stress aus dem Weg. Allerdings wenn ich große Pfützen habe, so zwei, drei Meter breit, dann kann es schon sein, dass ich da durchreiten möchte. Aber das wird dann auch gut angenommen von den Pferden.“
TIPP: Wenn der Reitplatz mal unter Wasser steht, kann man das nutzen, um durchzutraben oder -galoppieren.
Aus- und Einsprung
Sobald das Pferd Wasserpassagen in allen drei Gangarten sicher bewältigt, baut man zunächst einen kleinen Aussprung ein. Wenn der klappt, kann der/die Reiter:in es mit einem kleinen Einsprung versuchen. Gute Vorbereitung schafft vertrauensvolle Pferde. Darum stellt der Sprung ins Wasser die Pferde normalerweise vor keine großen Probleme. Anfangs reichen eine kleine Stufe oder ein kleiner Baumstamm. Sprünge, die das Pferd kennt und die ohne Wasser dahinter bereits sicher gesprungen werden, eignen sich ideal für den Wassereinsprung.
Kommt es auch vor, dass die Pferde reingehen, aber sich nicht trauen reinzuspringen? Von Michael Jung kommt dazu ein klares Nein. „Man fängt ja sowieso immer klein an“, fügt er hinzu.
Für Hindernisse im Wasser müssen die Pferde schon etwas mehr Erfahrung mitbringen: “Es kommt natürlich immer auf den Sprung an, der im Wasser ist. Ob das ein kleiner Baumstamm ist, ein schmaler Sprung oder ein tieferer Sprung. Oft sind die Pferde da schon etwas schüchtern , erst mal.“ Deswegen steht das Springen dieser Hindernisse eher am Ende der Ausbildung.
WICHTIG: „Die Wassertiefe sollte nicht zu tief sein, sie ist mit 25 cm ja auch geregelt. Es reichen auch 12-15 cm, jedenfalls weniger als zum Beine kühlen“, betont Jung.
Was empfiehlt Michael Jung jenen Reiter:innen, die zwar ein springbegabtes Pferd, aber keinerlei Erfahrung haben?„Prinzipiell soll immer einer dabei sein, der Erfahrung, den Überblick und ein Gefühl für Geländesprünge. Einer, der Sicherheit gibt. Ob das nun der Reiter ist, das Pferd oder der Trainer, aber einer muss die Übersicht behalten.“ Besser ist es, ein bisschen weniger zu wollen. Denn das Wichtigste ist das Vertrauen. Das des Pferdes ebenso wie das des/der Reiter:in.
„Es gibt Pferde, die haben das noch nie gemacht, aber die sind sowas von motiviert. Da kann man direkt im Schritt ins Wasser, dann in den Trab gehen, in den Galopp gehen. Es gibt aber auch Pferde, da dauert das halt drei- viermal. Manche brauchen einfach ein wenig. Wichtig ist, dass man immer einen Schritt nach dem anderen macht. Und dass nichts passiert. Das ist das Allerwichtigste!“
„Jedes Wasser ist ein neues Wasser. Am Anfang achtet man natürlich auf das helle, freundliche Wasser im Training. Dann gibt es aber auch Wasser, das trüb ist, das dunkler ist oder unter Bäumen, wo Schatten im Wasser sind. Es kommt auch vor, dass mal so ein bisschen Schilf oder Dreck im Wasser ist, wo die Pferde vielleicht irritiert sind. Oder dass mal ein Vogel oder eine Ente im Wasser schwimmen. Oder wenn sie auffliegen und das Pferd sich erschreckt. Also, da sind permanent Dinge zum Dazulernen.“ Viele Situationen schaffen viele Reize? Für Pferd und Reiter:in sollte es immer so einfach wie möglich bleiben.
Pferd und Ausrüstung
Unabhängig vom Pferdetyp mag Michael Jung motivierte Pferde: „Sie sollen Energie haben, clever sein und dürfen ruhig auch ein bisschen übermütig sein. Das kann man im Training gut in Bahnen lenken. Aber prinzipiell freut es mich mit Pferden zusammenzuarbeiten, die auch Spaß dran haben.
Und sie sollen eine passende und sichere Ausrüstung haben. Gerade im Wasser muss jedes Ausrüstungsteil perfekt sitzen und wasserfest sein. Materialien, die nicht dünner oder dicker werden, wenn man durchs Wasser reitet. Gamaschen, die nicht drücken, Zügel, die griffig bleiben. Bandagen eignen sich weniger, sie können sich zusammenziehen, lösen oder gar aufgehen. Auch mit Fell muss man vorsichtig sein. „Es gibt Fell, das sich nicht vollsaugt und Fell, das sich vollsaugt“, so der Profi.
Zu Halsriemen und Martingal rät er: „Es kommt ganz darauf an, ob ich mal nur so ins Wasser reite, oder auch ein Geländetraining mit Sprüngen mache. Und natürlich kommt es aufs Pferd an. Prinzipiell ist es hilfreich, wenn man Halsriemen, Martingal oder Vorderzeug drauf hat. Aber wie gesagt, das kommt aufs Pferd an und was für ein Reiter das ist. Wenn es ein unerfahrener ängstlicher Reiter ist, der sich schnell mal wo festhalten muss oder möchte, ist es gut etwas zu haben, wo man reingreifen kann.“ Die Basisausrüstung eines Springpferdes ist zumindest am Anfang ausreichend. Denn: „Man fängt ja nicht am Turnier an. Wenn man zuhause mal alles durchreitet und sich etwa der Verschluss löst, dann weiß man, das ist nicht die richtige Gamasche.“
Michael Jung (GER) ist einer der besten Reiter der Welt. Der Reitmeister ist in allen drei Disziplinen erfolgreich bis in die schweren Klassen. Als Vielseitigkeitsreiter war er gleichzeitig Olympiasieger, Welt- und Europameister in der Einzelwertung, was vor ihm niemand schaffte. Er gewann die 5*Stern-Klassiker Badminton, Burghley und Kentucky und war in zahlreichen internationalen Prüfungen und Championaten von Jungpferde-WM bis Weltcup mit verschiedenen Pferden erfolgreich.
*Serie Profitipps 2022
Text und Fotos: Andrea Kerssenbrock